Die Baufirmen müssen sich solche Arbeitsweisen nicht gefallen lassen und können von ihren Auftraggebern einen Ausgleich verlangen.
Weitere Beispiele aus unserer Studie:
Bei einer Sanierung in einem Elektro-Leistungsverzeichnis wurden von 213 Positionen später nur 81 Positionen ausgeführt.
Bei einer Sanitärausschreibung von 118 Positionen nur 33 Positionen.
Bei einer Fliesenausschreibung von 40 Positionen nur 20 Positionen.
Bei 774 untersuchten Schlussrechnungen kam es in 146 Fällen zu deutlichen Unterschreitungen der Auftragssummen.
Bei diesen Beispielen kam es zu wesentlichen Unterdeckungen bei den Gemeinkosten der Unternehmen.
Es wurde festgestellt, dass nur ein größeres überregionales Tiefbauunternehmen diese massiven Unterdeckungen nicht hingenommen hat und bei der weit verspäteten Vergütung von Baunachträgen Verzugszinsen berechnete. Solche Arbeitsweisen von Auftraggebern zur Unterdeckung der Gemeinkosten sollten generell auch kleinere mittelständische Bauunternehmen nicht einfach hinnehmen.
In zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wurden diese Sachverhalte im Sinne der Unternehmer geklärt.
1) Ersatzlos entfallene Leistungspositionen (Nullpositionen)
In der Entscheidung vom 26.1.2012 ging es darum, dass beim Bau einer Bundesstraße mehrere Positionen des Leistungsverzeichnisses vollständig, ohne das dies auf einer Kündigung, Verzicht oder Anordnung des Auftraggebers zurückzuführen wäre, entfallen waren. Die Ausführung der Leistung erwies sich als nicht notwendig. Der Unternehmer verlangte für die „Nullpositionen“ eine Vergütung in der Höhe der dort einkalkulierten AGK, BGK und W+G.
Der Bausenat am Bundesgerichtshof gab dem Bauunternehmer dem Grunde nach Recht, wies aber die Klage wegen fehlender Nachweisführung ab.
Der vollständige Wegfall von Mengen entspricht dem in § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B geregelten Fall der Äquivalenzstörung durch Mengenminderung im Rahmen einer ergänzenden Auslegung des VOB/B-Vertrages.
„Das führt dazu, dass dem Auftragnehmer im Rahmen eines VOB/B-Vertrages für Nullmengen unter den genannten Voraussetzungen eine Vergütung für entfallene Leistungen nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B zusteht“.
Allerdings gilt folgende Einschränkung:
„Der Auftragnehmer kann keine Vergütung beanspruchen, soweit es durch Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält“
Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Auftragnehmer in Form eines Gemeinkostenausgleichs über alle Positionen. Dabei sind nicht nur die entfallenen Deckungssummen aufzuschlüsseln sondern auch mögliche Ausgleichsbeträge aus anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses. Dies betrifft auch Leistungen aus § 2 Abs. 5 + 6 VOB/B.
Diese Aufstellung muss nachvollziehbar sein, was aber bei einer guten Baustellendokumentation und Kalkulation eigentlich kein Problem sein dürfte.
2) Verzugszinsen bei in Rechnung gestellten Nachtragsleistungen
In der Entscheidung des BGH vom 24.5.2012 ging es um den Fall, dass ein Unternehmer Verzugszinsen für nicht rechtzeitig bezahlte Abschlagsrechnungen im Rahmen eines VOB/B-Vertrages verlangte.
Diese Abschlagsrechnungen enthielten auch Nachtragsforderungen, welche erst erheblich später bezahlt wurden. Die Ursachen lagen beim Auftraggeber durch eine lange vermeidbare Prüfung der angeordneten Baunachträge.
Die Entscheidung des Bausenats beim BGH:
„Der Auftragnehmer ist berechtigt, auch dann Abschlagszahlungen für eine vom Auftraggeber geforderte zusätzliche Leistung unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B zu fordern, wenn eine Einigung über deren Vergütung nicht stattgefunden hat.“
„Der Anspruch auf Vergütung der von einem Auftragnehmer aufgrund einer Anordnung des Auftraggebers erbrachten zusätzlichen Leistung entsteht mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts“
„Das Entstehen des Anspruchs hängt nicht davon ab, dass die Parteien vor Beginn der Ausführung eine Vergütung vereinbaren“
„Unterbleibt eine solche Einigung, so ist die Vergütung unter Berücksichtigung der sich aus § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ergebenden Vorgaben zu ermitteln.“
„Der Auftragnehmer ist unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B berechtigt, in Höhe des an dieser Vergütung orientierten Wertes Abschlagszahlungen für die nachgewiesenen vertragsgemäßen Nachtragsleistungen zu fordern.“
„Einigen sich die Parteien später auf eine Vergütung, tritt diese an die Stelle der sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ergebenden Vergütung, weil das Gegenstand der Einigung ist.“
„Sofern die Parteien keine andere Regelung getroffen haben, ist der Anspruch auf Abschlagszahlungen 18 Werktage nach Zugang der Abschlagsrechnung fällig, § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B. Der Auftragnehmer ist berechtigt, unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B Verzugszinsen wegen Nichtbezahlung dieser Vergütung zu verlangen.“
Einschränkung des BGH:
„Geklärt ist auch, dass ein Schuldner nicht in Verzug gerät, wenn er an der Leistung durch eine nicht zu vertretende Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang der gesicherten Forderung gehindert ist“
In diesem Zusammenhang sei auf die Prüffähigkeit einer Rechnung besonders hingewiesen.
Gleichzeitig ergibt sich die Notwendigkeit, vertragliche Regelungen zum Nachtragsmanagement zu treffen. Dies betrifft den zeitlichen Rahmen zur Bewertung von Baunachträgen und dessen Bezahlung.
(Anmerkung: Die Ausführungen sind die persönlichen Ansichten des Verfassers und stellen keine technische oder rechtliche Beratung dar)