Beispiel Änderung
Änderung eines Leistung
(Auszug aus OLG Brandenburg v. 30.11.2011)
Eine Prüfung erfolgt immer im Einzelfall.
Sachverhalt:
Bei einer Baumaßnahme waren Fliesen- und Zementestricharbeiten auszuführen. Alle bisherigen Nachtragsangebote wurden durch den Geschäftsführer des Auftraggebers beauftragt. Auf der Baustelle bestanden Termins Rügen der örtlichen Bauleitung des Auftraggebers einerseits und Baubehinderungsanzeigen des Fliesenlegers andererseits.
In einer Baubesprechung hatte die örtliche Bauleitung des Auftraggebers entschieden, dass die verlorene Zeit beim Estricheinbau mit Einsatz von Schnellzement aufzuholen sei. Gleichzeitig informierte die örtliche Bauleitung des Auftraggebers den Geschäftsführer über den Sachstand, dass entsprechend den Absprachen auf der Baubesprechung in terminlich kritischen Bereichen Schnellestrich eingesetzt wird.
Die VOB war Vertragsgrundlage.
Der Auftraggeber zahlte den Nachtrag „ Zulage Schnellestrich“ sowie „Mehrstärken Schnellestrich“ nicht.
Prüfungsansatz nach 5-Punkte Verfahren:
a) Vorlage eines Nachtragsangebotes durch den Auftragnehmer
Ein prüffähiges Nachtragsangebot mit Anspruchsgrundlage und Preisermittlung wurde durch den Auftragnehmer vorgelegt.
Der Anspruch wurde mit § 2 Abs. 5 VOB/B, hilfsweise mit § 2 Abs. 6 VOB/B begründet.
b) Technische Stellungnahme des beauftragten Architekten als Erfüllungsgehilfen
Die beauftragten Architekten haben den Einsatz von Schnellestrich empfohlen um verlorene Bauzeiten wieder aufzuholen. Sie haben auch schriftlich dargelegt, dass der Einsatz von Schnellestrich den anerkannten Regeln der Technik entspricht und keine Gewährleistungseinschränkungen bestehen. Der Baunachtrag ist gerechtfertigt und die Preise marktüblich.
c) Nachtragsprüfung dem Grunde nach (Rechtssinn) durch Auftraggeber
Anspruch aus § 631 BGB i.V.m. § 164 BGB
- Ein Vertrag ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Eine vertragsrechtliche Willenserklärung des Auftraggebers liegt nicht vor.
- Schnellestrich war auch nicht Bestandteil des Werkerfolges sondern nur „Normalestrich“.
- Der Schnellestrich könnte aber notwendig sein, um den geschuldeten Werkerfolg auch hinsichtlich der Vertragszeiten zu erbringen. Es handelt sich somit um eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B.
- Die Auftragserteilung zum Schnellestrich i.S.v. § 164 BGB haben die bauleitenden Architekten des Auftraggebers vorgenommen.
- Allerdings liegt keine Vertragsvollmacht des Auftraggebers an seine bauleitenden Architekten vor. Alle vorherigen Nachträge hat der Geschäftsführer stets selber angewiesen und unterschrieben.
- Eine Duldungsvollmacht des Geschäftsführers liegt nicht vor.
bauleitende Architekten treten wie Vertreter des Geschäftsführers auf (-)
nach Treu und Glauben davon ausgehen kann, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (-)
Kenntnis einfacher Angestellter ist einem Geschäftsführer nicht gleichzusetzen
Zuleitung von Abschriften der Baubesprechungsprotokolle ist noch kein Anerkenntnis
- Eine Anscheinsvollmacht des Auftraggebers liegt nicht vor.
Verhalten des Geschäftsführers von gewisser Dauer oder Häufigkeit des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung der bauleitenden Architekten (-)
Anspruch aus § 642 BGB – Annahmeverzug Auftraggeber
- fehlende Mitwirkungshandlung des Auftraggebers, wegen fehlender Leistungen der Vorunternehmer (-)
- Vorunternehmerleistungen muss sich der Auftraggeber nicht anrechnen lassen.
- Eine spezielle Baubehinderungsanzeige und ein wörtliches Angebot nach § 294 BGB im Verzug liegen nicht vor
Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B – geänderte Leistung
- Eine eindeutige und unmissverständliche Anordnung des Geschäftsführers nach Vertragsschluss liegt nicht vor (-)
- Die bauleitenden Architekten hatten keine Vollmacht für Anordnungen
Anspruch aus § 2 Abs. 6 VOB/B – zusätzliche Leistung zum Werkerfolg
- Notwendige Ankündigung des zusätzlichen Vergütungsanspruchs vor Ausführung der Leistung an den Geschäftsführer fehlt.
- Ankündigung an die beauftragten Architekten ist nicht ausreichend.
- Mit der Ankündigungspflicht soll der Auftraggeber vor Forderungen des Bauunternehmers geschützt werden.
Anspruch aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B – Leistungen ohne Auftrag
- Nach dieser Vorschrift sind Leistungen dann zu vergüten, wenn der Geschäftsführer den Schnellestrich nachträglich anerkannt hätte oder der Schnellestrich zur Erfüllung des Vertrages notwendig war bzw. dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsführers einschl. Anzeige entsprach.
nachträgliche Anerkennung (-)
Werkerfolg nur durch Schnellestrich möglich (-)
Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus § 677 BGB i.V.m. § 2 Abs. 8 Nr. 3 VOB/B
- ein fremdes Geschäft liegt dann nicht vor, wenn der Bauunternehmer gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet war, die Beschleunigungsmaßnahmen in Form von Schnellestrich vorzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn der Bauunternehmer im Terminverzug und die Baustelle unterbesetzt war.
Fazit:
Eine Anspruchsgrundlage für den Nachtrag ist nicht vorhanden. Der Baunachtrag ist abzulehnen.
Der technischen Entscheidung der bauleitenden Architekten war nicht zu folgen.
Bei Zahlung des Nachtrages wäre für den Auftraggeber ein Schaden entstanden.
Ein Bereicherungsanspruch des Auftraggebers liegt nicht vor.
d) Nachtragsprüfung der Höhe nach durch Auftraggeber
- entfällt, weil Nachtrag schon dem Grunde nach abzulehnen ist.
(Anmerkung: Der Nachtrag wäre auch der Höhe nach abzulehnen, weil die Preisermittlung des Nachtrages nicht nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 5+6 VOB/B ermittelt wurde.
Preisgrundlage ist das Hauptangebot unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten. Es müsste somit prüffähig dargelegt werden, dass die gleichen Gemeinkostenzuschläge, Lohnkosten und
sonstige Kosten angesetzt wurden. Dies ist nicht der Fall. Die Einschätzung des Architekten von "marktüblich" ist nicht ausreichend und entspricht nicht dem Wortlaut der VOB)
Dazu hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung festgestellt:
"Gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Berechnung des neuen Preises im Wege einer Fortschreibung der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation des Auftragnehmers (und nicht anhand tatsächlicher oder üblicher Kosten) zu erfolgen hat, ist das Gericht daran gebunden. Die Ermittlung der Vergütung für eine geänderte Leistung erfolgt in diesem Fall in der Weise, dass-soweit wie möglich-an die Kostenelemente der Auftragskalkulation angeknüpft wird. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die Auftragskalkulation der geänderten Position. Eine Bezugsposition ist heranzuziehen, wenn die Auftragskalkulation die Kostenelemente nicht enthält, die aufgrund der Änderung der Leistung nunmehr für die Preisbildung maßgebend sind"
e) rechtsgeschäftliche Nachtragsvereinbarung durch Auftraggeber oder Absage
- Schreiben des Auftraggebers mit Nennung der Gründe für die Zurückweisung der Nachtragsforderungen.
(Anmerkung: Der Beitrag ist die persönliche Auffassung des Verfassers und stellt keine rechtliche oder bautechnische Beratung dar)