Beispiel VOB/C
Nachtragsprüfung
Beispiel für die Vergütung von Nebenleistungen und besonderen Leistungen nach VOB/C
(siehe hierzu auch Fachvortrag " Die 10 Mythen der Nachtragsbefürworter in der öffentlichen Verwaltung)
Bei der Nachtragsbewertung in den öffentlichen Verwaltungen stellt sich immer wieder die Frage, ob die Geltendmachung von Nebenleistungen und besonderen Leistungen nach VOB/C bezahlt werden müssen oder nicht.
Architekten/Ingenieure gehen an diese Fragestellung oft mit einem technischen „Tunnelblick“ auf das Leistungsverzeichnis heran und vergessen dabei wesentliche rechtliche Grundsätze. Das führt in vielen Fällen zu Steuergeldverschwendungen in beträchtlichen Höhen.
An einem Beispiel aus einer Stadtverwaltung in RLP soll die Problematik behandelt und durchleuchtet werden.
An einem Neubau hat ein Bauunternehmer den Auftrag erhalten, ein Wärmedämmverbundsystem an den Außenwänden anzubringen. Technische Ausführungen und der Leistungsumfang sind in einem Leistungsverzeichnis beschrieben.
Während der Bauausführung macht der Bauunternehmer einen Nachtrag für die Abklebung von Fensterelementen und anderen Bauteilen geltend. Die Abklebung mittels Folie und Klebeband wäre besonders schwierig und aufwendig gewesen.
Gleichzeitig macht der Bauunternehmer Mehraufwendungen geltend, weil durch irgendwas die Folie beschädigt wurde und teilweise erneuert werden musste.
Der städtische Architekt/Bauingenieur des Gebäudemanagement verteidigt den Nachtrag, welcher vom extern beauftragten Architekten als angemessen und marktüblich bezeichnet wurde. Der städtische Mitarbeiter verteidigt den Nachtrag mit dem Hinweis auf die vereinbarte VOB/C. In der DIN 18345 unter Punkt 4.2.7. steht, dass das Abkleben von Fenstern, Türen usw. eine besondere Leistung ist und gesondert vergütet werden muss.
Was die Stadtverwaltung mit der Auszahlung der Rechnung auch tat.
Handelt es sich um einen „gerechten Lohn“ des Bauunternehmers oder liegt eine Steuergeldverschwendung vor?
Grundsatz:
Ohne rechtliche Anspruchsgrundlage kann es keinen Vergütungstatbestand geben.
Das Gebäudemanagement beruft sich als Anspruchsgrundlage für die Zahlung des Nachtrages auf die VOB/C, DIN 18345 Punkt 4.2.7
Stellt sich die Frage, ob die VOB/C eine rechtliche Anspruchsgrundlage für die Vergütung sein kann?
Die durch die Auslegung des gesamten Vertrages zu ermittelnde Leistungsbeschreibung bestimmt mittelbar den Kreis der Obhuts- und Beratungspflichten (BGH X ZR 49/98).
Jedenfalls können durch die Formulierung von Nebenpflichten die eigentlichen Leistungspflichten nicht erweitert werden.
Die Formulierung von Nebenleistungen und besonderen Leistungen in der VOB/C hat überhaupt keine Bedeutung für die Leistungsverpflichtung, enthält vielmehr nur Regelungen für die Vergütung, so denn die VOB/C mit dem fraglichen Inhalt überhaupt vereinbart ist (BGH VII ZR 73/00).
Die Abrechnungsregelungen der ATV enthalten dann vertragsrechtliche Regelungen, wenn diese Einfluß auf die Art der Abrechnung nehmen (BGH VII ZR 75/03). Kommentierungen der VOB/C sind grundsätzlich keine geeignete Hilfe zu deren Auslegung (BGH VII ZR 75/03).
Dass eine bestimmte Leistungsbeschreibung nach der VOB/C nicht ordnungsgemäß ist, hat in aller Regel vertragsrechtlich nicht die geringste Auswirkung (vgl. Prof. Thode in Hamburger Baurechtstag 2008).
Nebenleistungen gehören auch ohne besondere Erwähnung in der Leistungsbeschreibung zur Vertragsleistung. Sie werden also nicht gesondert vergütet, auch dann nicht, wenn der Auftraggeber sie nachträglich fordert.
Dem Grundsatz trägt die VOB/C Rechnung indem dort festgelegt ist, dass Nebenleistungen Arbeiten sind, welche zur geschuldeten Leistung gehören.
Besondere Leistungen sind Leistungen, die nicht Nebenleistungen sind. Sie gehören nur dann zur vertraglichen Leistung, wenn sie in der Leistungsbeschreibung besonders erwähnt sind.
Sind sie nicht erwähnt, kann ihre Erbringung grundsätzlich einen gesonderten Vergütungstatbestand auslösen, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 – 8 VOB/B vorliegen (vgl. Koeble/Kniffka in Kompendium des Baurechts).
Die rechtliche Anspruchsgrundlage für den Vergütungstatbestand des § 2 Abs. 5+6 VOB/B ist die rechtsgeschäftliche Willenserklärung in Form einer Anordnung durch den Auftraggeber nach § 1 Abs. 3+4 VOB/B.
Als Leistungsbeschreibung wird die Gesamtheit der Angaben, sei es in zeichnerischer, verbaler und konkludenter Form, über die nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen verstanden (vgl. Prof. Thode in Hamburger Baurechtstage 2008)
Nach diesen Grundsätzen kann der o.g. Baunachtrag eindeutig gewertet werden.
- Die VOB/C ist keine rechtliche Anspruchsgrundlage, welche automatisch eine Vergütung auslösen kann.
- Nebenleistungen gehören zur geschuldeten vertraglichen Leistung und erzeugen keine zusätzliche Vergütung.
- S.g. besondere Leistungen gehören zur vertraglich geschuldeten Leistung, wenn diese Leistungen in der Leistungsbeschreibung (nicht zu verwechseln mit dem Leistungsverzeichnis) und diese auch vom Auftragnehmer erkannt werden konnte.
- Werden diese besonderen Leistungen nicht erwähnt in der Leistungsbeschreibung, der Unternehmer diese auch nicht mit einfachen Mitteln erkennen konnte und ist der Bauunternehmer seiner Hinweispflicht an den Auftraggeber nachgekommen, dann Bedarf es trotzdem der rechtsgeschäftlichen Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 1 Abs. 3+4 VOB/B.
- Neben der Anordnung des Auftraggebers könnte auch § 2 Abs. 8 Nr. 1+2 VOB/B (Geschäftsführung ohne Auftrag) als Anspruchsgrundlage dienen, wenn die Ausführung vom Auftraggeber nachträglich anerkannt wurde, zur Erfüllung des Vertrages notwendig war, dem Auftraggeber seinem mutmaßlichen Willen entsprach und die Leistung dem Auftraggeber unverzüglich angezeigt wurde. Hierbei wäre der Bauunternehmer darlegungs- und beweislastig.
Allerdings ist hierbei zu beachten, „wird eine Leistung aufgrund eines Werkvertrags geschuldet und vergütet, so kann der Auftragnehmer dieselbe Leistung aufgrund einer Nachtragsvereinbarung in der Regel nicht ein zweites Mal bezahlt verlangen. Etwas anderes gilt, wenn der Auftraggeber in der Nachtragsvereinbarung eine gesonderte Vergütungspflicht selbständig anerkannt hat oder die Vertragsparteien sich gerade in Ansehung dieser Frage verglichen haben. (BGH, Urt. v. 26. April 2005 - X ZR 166/04)“.
- Das Abkleben von Fensterelementen und Türen mittels Folie und Klebeband, sei es auch nach der subjektiver Einschätzung des Bauunternehmers noch so schwer, ist keine besondere Leistung sondern eine zu erwartende, nicht überraschende und übliche Nebenleistung bei der Anbringung einer WDVS-Leistung.
- Ganz besondere teure Materialien werden nicht eingesetzt und die zu schützenden Bauteile sind auch nicht ungewöhnlich besonders wertvoll.
- Eine rechtsgeschäftliche Anordnung im Sinne von § 1 Abs. 3+4 nach der Zuständigkeitsordnung i.V.m. § 49 GemO RLP lag nicht vor. Der städtische Architekt/Bauingenieur wäre ein vollmachtsloser Vertreter der Stadtverwaltung gewesen.
- Selbst die Nachtragspreisermittlung erfolgte nicht nach den Grundsätzen der VOB/B. Die Einschätzung von Marktüblichkeit und Angemessenheit der Nachtragspreise ist abzulehnen.
„Die Ermittlung der Vergütung für eine geänderte Leistung erfolgt in diesem Fall in der Weise, dass - soweit wie möglich - an die Kostenelemente der Auftragskalkulation angeknüpft wird. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die Auftragskalkulation der geänderten Position.“ (BGH VII ZR 142/12).
Fazit: Der Baunachtrag wäre dem Grunde und der Höhe nach vollständig abzuweisen gewesen.
Bleibt die Frage, ob ein Auftraggeber die ständigen Erneuerungen der Folie wegen Beschädigungen zusätzlich vergüten muss?
Eine Anspruchsgrundlage dazu könnte aus § 6 Abs. 6 VOB/B abgeleitet werden und ist eine Frage der haftungsbegründenden Kausalität des Auftraggebers.
Eine Baubehinderungsanzeige für jeden Schadensfall nach § 6 Abs. 1 VOB/B liegt nicht vor. Auch ist nicht dargelegt und bewiesen, dass ein Vertreter der Stadtverwaltung als Auftraggeber die Folie beschädigt bzw. zerstört hat. Ein Verschulden des Auftraggebers ist nicht zu erkennen.
Im Übrigen bleibt eine Anspruchsgrundlage des Auftragnehmers auf angemessene Entschädigung nach § 642 BGB möglich. Aber auch hier fehlt die Grundvoraussetzung für die Anspruchsgrundlage. Weder liegt eine Behinderungsanzeige für jede einzelne Beschädigung der Folie vor, noch ist eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Auftraggebers erkennbar. Das Verhalten anderer Baubeteiligter muss sich der Auftraggeber nicht automatisch zurechnen lassen. Die bloße Feststellung eines Bauunternehmers, andere Baubeteiligte hätten seine Folie kaputt gemacht, reicht nicht aus, um einen zusätzlichen Vergütungstatbestand auszulösen. Hier müssen nach Ansicht des Verfassers noch weitere Sachverhalte hinzukommen, um eine zusätzliche Vergütung zu erlangen.
Ein Beispiel wäre, wenn der Auftraggeber es unterlässt, trotz ständiger Anzeige und Meldung von Beschädigungen, für die Sicherheit auf der Baustelle zu sorgen. Dies können Umzäunungen, ordnungsgemäße Baustellen Zuwegungen oder andere Arbeitsschutzmaßnahmen sein.
Andererseits können die Baustellenorganisation des Bauunternehmers und die Abstimmung mit der örtlichen Bauleitung so schlecht und mangelhaft sein, dass die Folienbeschädigungen zwangsläufig entstehen müssen.
Fazit: Eine Anspruchsgrundlage nach § 6 Abs. 6 VOB/B oder § 642 BGB ist nicht zu erkennen. Der Zahlungsanspruch hätte abgewiesen werden müssen.
Nach der Prüfung im Einzelfall ist somit festzustellen, dass die getätigte Zahlung des Nachtrages an den Bauunternehmer eine Form der Steuerverschwendung darstellt.
(Anmerkung: Der Beitrag ist die persönliche Ansicht des Verfassers und stellt keine bautechnische oder baurechtliche Beratung im Einzelfall dar)
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