Sekundärhaftung Architekt
Grundsätze zur Sekundärhaftung des Architekten
Anknüpfungspunkt für die sogenannte Sekundärhaftung des Architekten ist der übernommene Aufgabenkreis. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß stets darauf abgestellt, dass eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler sich aus den übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben muss.
Die Sekundärhaftung des Architekten knüpft an die zentrale Stellung während der Errichtung eines Bauvorhabens an (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08)
Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind grundsätzlich nicht auf Sonderfachleute anwendbar. (BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - VII ZR 4/10). Der mit einer Teilleistung beauftragteTragwerksplaner kann nicht wie der Architekt als Sachwalter angesehen werden.
Die Anknüpfungspunkte für die Sekundärhaftung des Architekten ist dessen Sachverwalterstellung im Rahmen des übernommenen Aufgabenkreises. Dem umfassend beauftragten Architekten obliegt im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber dem Bauunternehmer, sondern auch und zunächst die objektive Klärung von Mängelursachen, selbst wenn diese zu seinen eigenen Planungs- oder Aufsichtsfehlern gehören.
Die dem Architekten vom Bauherrn eingeräumte Vertrauensstellung gebietet es, diesem im Laufe der Mängelursachenprüfung auch Mängel des eigenen Architektenwerks zu offenbaren, so dass der Bauherr seine Auftraggeberrechte auch gegen den Architekten rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung wahrnehmen kann (BGH, Urteil vom 16. März 1978 - VII ZR 145/76, Tz. 26, 29, BGHZ 71, 144; Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108 = NZBau 2002, 42 = ZfBR 2002, 61; Urteil vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 133/04, Tz. 10, 17, BauR 2007, 423 = NZBau 2007, 108 = ZfBR 2007, 250; Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08, BauR 2009, 1607 = ZfBR 2009, 781).
Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeigeführt hat, begründet - nicht anders als eine falsche Beratung - einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt.
Derartige Betreuungspflichten folgen für den umfassend beauftragten Architekten daraus, dass er die Objektüberwachung und die Objektbetreuung übernommen hat. Er ist verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und dem Besteller auch nach Fertigstellung des Bauwerks bei der Untersuchung und Behebung des Baumangels zur Seite zu stehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1971 - VII ZR 132/69, NJW 1971, 1130; Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BauR 1991, 606, = ZfBR 1991, 207, 215).
Deshalb ist der Architekt auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens Sachwalter des Bestellers, der ihm bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten behilflich sein muss (BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08, BauR 2009, 1607 = NZBau 2009, 789 = ZfBR 2009, 781).
Mit der umfassenden Beauftragung eines Architekten räumt der Besteller diesem eine zentrale Stellung bei der Planung und Durchführung des Bauwerks ein. Er ist der primäre Ansprechpartner des Bestellers, wenn es zu Problemen bei der Bauabwicklung kommt. Das setzt sich auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens fort.
Eine derartige Sachverwalterstellung kann auch dann bestehen, wenn der Architekt nicht mit allen Leistungen, die zur einwandfreien Herstellung eines Bauwerks notwendig sind, beauftragt ist. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen, in dem ein für ein Fertighausunternehmen tätiger Architekt die technische Oberleitung für die Errichtung des Fertighauses übernommen hat.
Als Sachwalter des Bauherrn hat er die Ursachen sichtbar gewordener Baumängel unverzüglich aufzuklären und den Bauherrn ohne schuldhafte Verzögerung vom Ergebnis der Untersuchung und der sich daraus ergebenden Rechtslage zu unterrichten (BGH, Urteil vom 4. April 2002 - VII ZR 143/99)
Unterlässt es der mit der Planung und Bauüberwachung beauftragte Architekt, die Ursachen einer in unverjährter Zeit aufgetretenen Mangelerscheinung zu untersuchen und den Bauherrn über das Ergebnis seiner Untersuchung und über die technischen Möglichkeiten der Beseitigung des Mangels und die Haftung zu informieren, dann haftet der Architekt aus positiver Vertragsverletzung. Auf die Verjährung des Gewährleistungsanspruchs kann er sich nicht berufen (BGH, Urteil vom 15. April 2004 - VII ZR 397/02).
Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind nicht auf einen Architekten anwendbar, der lediglich mit den Aufgaben der Grundlagenermittlung bis zur Vorbereitung der Vergabe (Leistungsphasen 1 bis 6 des §15 Abs. 2 HOAI) beauftragt worden ist (BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08). Der lediglich planende Architekt steht, soweit es um die Betreuung des Bauvorhabens geht, anderen Fachplanern und auch dem Bauunternehmer gleich. Seine qualifizierte Stellung als Planer allein rechtfertigt es nicht, ihn in dem Sinne als Sachwalter des Bauherrn anzusehen, dass er verpflichtet wäre, unabhängig von seinen Aufgaben im Rahmen der Mängelhaftung, Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass der Anspruch gegen ihn nicht verjährt.
Anmerkung:
(Der Beitrag ist die persönliche Auffassung des Verfassers und stellt keine rechtliche oder bautechnische Beratung dar)