Haftung Bauüberwachung
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Dreiecksverhältnis Bauherr – Planer – Bauüberwacher
Ist ein Bauschaden entstanden, stellt sich die Frage nach dem Mitverschulden bei Schadensersatz – oder Entschädigungszahlungen.
Ist die ausgeführte Leistung des Bauunternehmers mangelhaft oder entspricht nicht den anerkannten Regeln der Technik, dann greift das Leistungsstörungsrecht und die bauausführende Firma wird zur Mängelbeseitigung aufgefordert.Wie verhält sich aber der Fall, wenn die mangelhafte Leistung auf einen Planungsfehler, eine unterlassene Bauleitung oder fehlerhafte Anordnung auf der Baustelle beruht?
Wer haftet für was und kann der Auftraggeber als Besteller auch in die Haftung genommen werden?
Dies richtet sich immer nach den Sachverhalten im Einzelfall.
Grundsätzlich kann aber festgestellt werden, dass in einem bestehenden Dreiecksverhältnis eine Mithaftung als Verschulden auch den Besteller treffen kann.
Nach dem neuen Bauvertragsrecht gilt bei Architekten- und Ingenieurverträgen für den bauüberwachenden Architekten/Ingenieur:
§ 650t BGB
Gesamtschuldnerische Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer
Nimmt der Besteller den Unternehmer wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel an dem Bauwerk oder an der Außenanlage geführt hat, kann der Unternehmer die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Bauunternehmer für den Mangel haftet und der Besteller dem bauausführenden Unternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.
Diese Regelung gilt für Architekten- und Ingenieurverträge die ab dem 1. Januar 2018 geschlossen wurden.
Der Bauherr muss, bevor er den bauüberwachenden Architekt auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, den bauausführenden Unternehmer erfolglos zur Nacherfüllung aufgefordert haben. Solange die Nacherfüllung durch den bauausführenden Unternehmer noch möglich ist, kann der bauüberwachende Architekt die Leistung von Schadensersatz verweigern.
Der Bauherr muss deshalb zunächst versuchen, den ebenfalls für den Bauwerksmangel verantwortlichen Bauunternehmer zu Beseitigung des Mangels zu bewegen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Nacherfüllung möglich ist, sonst findet § 650t BGB keine Anwendung. Auch muss der Bauunternehmer zur Nachbesserung verpflichtet sein. Durch die Neuregelung soll der Architekt von einer erhöhten finanziellen Belastung geschützt werden, da eine Nacherfüllung durch den Bauunternehmer mit anschließendem Gesamtschuldnerausgleich zwischen Architekt und Unternehmer sich regelmäßig als kostengünstiger darstellt und teilweise auch das Risiko, bei nicht solventem Bauunternehmer auf den Kosten sitzen zu bleiben, minimiert. Der Anspruch des Bauherrn gegenüber dem Architekten besteht aber weiterhin, er ist nur wegen des Leistungsverweigerungsrechts „aufgeschoben“.
Für alle Planungsfehler gilt weiterhin, dass der Bauherr bei der Gesamtschuld von Anfang an die Wahlfreiheit hat, wen er als Schuldner in Anspruch nehmen will.
Die Gewichtung der Haftungs- und Verantwortungsanteile hat individuell unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zu erfolgen. Es gibt keinen Grundsatz, dass ein Ausführungsverschulden des Handwerkers das Überwachungsverschulden des Architekten immer überwiegt oder dass ein Planungsmangel immer ein größeres Gewicht hat als ein Ausführungsmangel. Ein Auftraggeber muss sich das Planungsverschulden des Architekten gegenüber dem Unternehmer in der Regel gemäß § 278 BGB bereits im Außenverhältnis anrechnen lassen. Deshalb ist der Haftungsanteil des Unternehmers um diese Quote von vornherein verkürzt, so i.d.S. OLG Stuttgart 10 U 107/19)
Mithaftung des Bestellers
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Besteller im Verhältnis zum bauaufsichtsführenden Architekten Fehler des planenden Architekten zurechnen lassen. Es kommt nicht darauf an, ob der Besteller dem von ihm beauftragten bauaufsichtsführenden Architekten die Vorlage von Plänen in dem Sinne schuldet, dass die Lieferung fehlerhafter Pläne als Verletzung einer Leistungspflicht einzuordnen wäre. Denn in seinem Vertragsverhältnis zum bauaufsichtsführenden Architekten trifft den Besteller jedenfalls eine Obliegenheit, diesem mangelfreie Pläne zur Verfügung zu stellen. Nimmt der Besteller den bauaufsichtsführenden Architekten wegen eines Bauwerkmangels in Anspruch, der darauf zurückzuführen ist, dass die gelieferten Pläne mangelhaft sind und der bauaufsichtsführende Architekt dies pflichtwidrig nicht bemerkt hat, muss er sich gemäß § 254 Abs. 1, § 278 BGB das mitwirkende Verschulden des planenden Architekten als seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen (BGH, Urteil vom 27. November 2008 VII ZR 206/06)
Ein schuldhaftes Verhalten des mit der Planung beauftragten Architekten ist dem Besteller gemäß § 278 BGB über eine fehlerhafte Ursprungsplanung hinaus zuzurechnen, wenn der mit der Planung beauftragte Architekt im Laufe der Bauausführung fehlerhafte Anordnungen erteilt, aufgrund derer von der ursprünglichen Planung abgewichen werden soll. Einer solchen Anordnung steht es gleich, wenn der Architekt zwar nicht einseitig eine Planungsänderung vorgibt, eine solche jedoch auf sein Betreiben hin einvernehmlich vereinbart wird und er hinsichtlich dieser Änderung die Planungsverantwortung übernimmt. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, welcher der am Bauvorhaben Beteiligten den Änderungsvorschlag unterbreitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 VII ZR 152/12)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Besteller in seinem Vertragsverhältnis zum bauaufsichtsführenden Architekten regelmäßig die Obliegenheit, diesem einwandfreie Pläne zur Verfügung zu stellen. Der bauaufsichtsführende Architekt kann seine Aufgabe, eine mangelfreie Errichtung des Bauwerks herbeizuführen, nur auf der Grundlage mangelfreier Pläne sinnvoll wahrnehmen. Solche zu übergeben, liegt daher im eigenen Interesse des Bestellers. Überlässt er dem bauaufsichtsführenden Architekten fehlerhafte Pläne, verletzt er dieses Interesse i. S. eines Verschuldens gegen sich selbst. Nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB muss er sich die Mitverursachung des Schadens durch den von ihm beauftragten planenden Architekten zurechnen lassen, weil er sich des Architekten zur Erfüllung der ihn aus § 254 Abs. 1 BGB im eigenen Interesse treffenden Obliegenheit bedient hat (BGHZ 179, 55 Rn. 30, 36; BGH BauR 2016, 1943, juris Rn. 14).
Der mit der Objektüberwachung betraute Architekt ist zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet, wenn sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben (BGH VII ZR 20/93).
Der die Bauaufsicht (Objektüberwachung) führende Architekt hat dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird.
Der Architekt ist dabei nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss allerdings die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden (BGH VII ZR 15/78).
Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet (vgl. BGH VII ZR 50/84). Besondere Aufmerksamkeit hat der Architekt auch solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben.
Der bauüberwachende Architekt muss die Baustelle und die dort tätigen Handwerker bei ihren Arbeiten gezielt überwachen und koordinieren, damit das Bauwerk frei von Mängeln und den planerischen Vorgaben entsprechend gebaut wird (OLG Düsseldorf I-5 U 135/14).
Bei auch nur einfachen, gängigen Tätigkeiten (i.S. handwerklicher Selbstverständlichkeiten), die für die Funktionalität der Gesamtwerkleistung nicht wichtig sind, sind zumindest Stichproben - auch hinsichtlich Auswahl des dabei tatsächlich eingesetzten Materials bzw. dessen Übereinstimmung mit den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses (vgl. OLG Dresden 10 U 736/07) - während und am Ende der Ausführung des jeweiligen Gewerks zu fordern.
Er ist dabei nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss allerdings die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch Kontrollen vergewissern, dass seine technischen, vom Bauvertrag getragenen, Anweisungen sachgerecht erledigt werden (OLG Dresden 10 U 141/08).
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen gängigen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, muss der bauüberwachende Architekt grundsätzlich nicht im Einzelnen überwachen. Insoweit kann er sich zu einem gewissen Grade auf die Zuverlässigkeit und ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen (KG Berlin 24 U 29/05).
Der wegen seiner besonderen Fachkunde mit der Bauüberwachung betraute Architekt hat seine Kenntnisse auch vertragsgemäß dahingehend einzusetzen, dass er - zumindest stichprobenhaft - an Ort und Stelle überprüft, ob nicht nur die lediglich nach Papierform vorgesehene, sondern auch die tatsächliche konkrete Bauausführung durch die jeweiligen Lieferanten/Auftragnehmer (sowohl hinsichtlich der zum Einsatz kommenden Baustoffe/Materialien als auch hinsichtlich der konkreten Arbeitsweisen/Ausführungsarten) mit den Vorgaben der Planung und allen Planungsdetails (gemäß LV) vollständig übereinstimmt.
Der Architekt muss sein Augenmerk im Rahmen der ihm übertragenen Bauleitung/-überwachung insbesondere auf schwierige oder gefahrenträchtige Arbeiten, typische Gefahrenquellen und kritische Bauabschnitte richten, wozu Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten, Ausschachtungs- und Unterfangungsarbeiten sowie vergleichbare Arbeiten gehören.
Solche Arbeiten müssen in besonderer, gesteigerter Weise vom Architekten beobachtet und überprüft werden (vgl. BGH BauR 2000, 1513; BauR 2001, 273). Dies gilt insbesondere auch bei Bewehrungs-/Betonierungsleistungen zur Herstellung einer "weißen Wanne“.
Zwar hat grundsätzlich der Auftraggeber eine unzureichende Bauüberwachung darzulegen und zu beweisen. Ihm kommen jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute. Liegen Mängel des Bauwerks vor, die typischerweise entdeckt werden mussten, so spricht der Anscheinsbeweis für eine Bauaufsichtspflichtverletzung des Architekten (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2013, 1879 ff). Dann muss der Architekt den Anscheinsbeweis durch eine Darlegung einer hinreichenden Bauaufsicht, die er im Streitfall auch zu beweisen hat, entkräften, ehe es zur normalen Beweislastverteilung kommt, wonach der Bauherr die Pflichtverletzung (voll) zu beweisen hat (vgl. BGH NJW 2009, 582; NZBau 2002, 574; BB 1973, 1191; OLG Dresden BauR 2010, 1785; OLG Celle BauR 2010, 1613;).
Der mit der Bauleitung beauftragte Architekt muss die ihm übergebenen Pläne auf solche Mängel untersuchen, die nach den von ihm zu erwartenden Kenntnissen erkennbar sind (OLG Karlsruhe 8 U 151/15).
Der bauleitende bzw. bauüberwachende Architekt schuldet dem Besteller die Verwirklichung des plangerechten und mangelfreien Bauwerks. Dazu gehört auch in den durch die Aufgabe vorgegebenen Grenzen die Prüfung der ihm vorgelegten Pläne, ob diese geeignet sind, das Bauwerk mangelfrei entstehen zu lassen (BGHZ 179, 55 Rn. 38).Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Verursachungsbeitrag des bauaufsichtsführenden Architekten an dem Bauwerkschaden nicht vernachlässigt, sondern muss unter Berücksichtigung seiner besonderen Aufgabenstellung gewichtet werden. Eine andere Beurteilung würde tendenziell dazu führen, dass der bauaufsichtsführende Architekt (nahezu) haftungsfrei wäre, was der Bedeutung seiner Verpflichtung nicht gerecht würde. Ein vollständiges Zurücktreten der Haftung des aufsichtsführenden Architekten wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefälle in Betracht kommen (BGHZ 179, 55 Rn. 39).
Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schuldet als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97).
Die Parteien eines Architektenvertrages können im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass und in welchen Punkten der Auftraggeber das Risiko übernimmt, dass die vom Architekten zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig ist. (BGH, Urteil vom 26. 9. 2002 – VII ZR 290/01).
Ist die Planung des Architekten nicht dauerhaft genehmigungsfähig, ist das Architektenwerk mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob er den Mangel zu vertreten hat. Soweit die Genehmigungsfähigkeit der Planung durch Nachbesserung erreicht werden kann, steht dem Architekten das Recht zu, seine Planung nachzubessern. Eine Nachbesserung kommt in Betracht, wenn die nicht genehmigungsfähige Planung nicht der vertraglich vereinbarten Planung entspricht und die Nachbesserung dazu führt, dass die Genehmigungsplanung der vereinbarten Planung entspricht und dauerhaft genehmigungsfähig ist.
Trotz Mangelhaftigkeit der Architektenleistung tritt eine Haftungsbefreiung des Architekten ein, wenn ihm eine bindende Vorgabe des Auftraggebers für die Planung gemacht worden ist, er seiner Bedenkenhinweispflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und aus dem Verhalten des Auftraggebers der Schluss gezogen werden durfte, dieser wolle die Fortführung der aus Sicht des Architekten bedenklichen Leistung. Eine Haftungsbefreiung des Architekten kann im Falle einer bindenden Planungsvorgabe auch dann eintreten, wenn er seine Bedenkenhinweispflichten zwar verletzt hat, jedoch gleichzeitig feststeht, dass der Auftraggeber trotz der an sich notwendigen Hinweise auf Durchführung der bedenklichen Leistung bestanden hätte (BGH, Urteil vom 8. 11. 2007 – VII ZR 183/05).
Fazit:
Eine Dreiecksbeziehung zwischen Bauherr - Planer und Bauüberwacher ist grundsätzlich zu bejahen. Entscheidend ist die Ursachenerforschung im Einzelfall.
dabei ist zu untersuchen, welche Pläne übergeben wurden, welche Anordnungen durch wen getroffen wurden und ob eine vertragsgemäße Bauüberwachung stattgefunden hat.
Bei dieser Bauüberwachung ist auch entscheidend, ob der Bauüberwacher z.B. ein Bautagebuch führt und zeitnah dem Bauherrn übergibt oder das bestimmte bautechnisch relevante Bauausführungen dokumentiert werden.
Wir haben bei unseren Prüfungen als Bauherrenbegleiter feststellen müssen, dass die Bauüberwachung sehr selten und wenn nur für einige Stunden auf der Baustelle war und die Baufirma sich selbst überlassen wurde.
Andererseits wurde auch festgestellt, dass Detaile vom Planer fehlten oder standortneutral bei den Herstellern abkopiert wurden.
Diese Sachverhalte brauchen sich Baufirmen nicht gefallen zu lassen und sie sollten Ihre Bedenken äußern.
Mit diesen Sachverhalten beschäftigen wir uns auch in unseren Inhouseschulungen (hier)
(Anmerkung: Es handelt sich um die privaten Auffassung des Verfassers und stellt keine rechtliche oder bautechnische Beratung im Einzelfall dar)