Abnahme Planungsleistung
Abnahme einer Planungsleistung
In verschiedenen Seminaren und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften zur HOAI 2013
wird von einer Neuregelung bzw. Einfügung des Begriffes „Abnahme“ in den Fälligkeitsvorschriften des § 15 HOAI 2013 gesprochen. In einer Fachzeitschrift spricht dort der Verfasser sogar davon, „dass das Abnahmekriterium in § 15 HOAI ein überflüssiges und ungeeignetes Kriterium zur Fälligstellung eines HOAI-Anspruches“ ist.
Es erhebt sich für den Insider sofort die Frage, wirklich neu, überflüssig, ungeeignet?
Die HOAI 2013 ist doch Preisrecht und kein Vertragsrecht?
Kann die HOAI 2013 überhaupt Einwirkungen auf eine gesetzlich geregelte rechtsgeschäftliche Erklärung haben?
Der Wortlaut in der HOAI 2013 lautet:
„ (1) Das Honorar wird fällig, wenn die Leistung abgenommen und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist, es sei denn, es wurde etwas anderes schriftlich vereinbart (§ 15 HOAI 2013)“
Der Sachverhalt einer Abnahme ist im Werkvertragsrecht weder neu noch überraschend für den Anwender. Der Architektenvertrag ist in seinem Wesen ein Werkvertrag und somit müssten sich automatisch die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen ergeben.
Für den Werkvertrag ist die Abnahme in § 640 BGB geregelt. Sie ist die Erklärung des Bestellers, dass er das Werk akzeptiert.
§ 640 BGB Abnahme
(1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
§ 641 BGB Fälligkeit der Vergütung
(1) Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Ist das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten.
Demzufolge ist beim Werkvertrag für die Fälligkeit einer Vergütung die Abnahme der vertraglichen Leistung Voraussetzung.
Demgegenüber war in der alten HOAI 2009 in § 15 Abs. 1 (oder § 8 Abs. 1 HOAI1991) darauf abgestellt, dass eine prüfbare Honorarschlussrechnung überreicht und die vertragsgemäßen Leistungen erbracht wurden. Auf die eigentliche Abnahme an sich kam es nicht an, was im Widerspruch zu § 641 BGB stand. Daran schließt sich sofort die Frage an, ob § 15 Abs. 1 HOAI 2009 wegen der Abweichung zum BGB überhaupt wirksam war. Dies wurde in der Literatur unterschiedlich bewertet.
Einerseits wurde in der Literatur von einer Unwirksamkeit gesprochen. Andererseits hat der BGH dazu eine Entscheidung getroffen.
Der BGH hat die Wirksamkeit des § 8 HOAI 1991, und später in § 15 Abs. 1 HOAI 2009 übergegangen, bejaht (BGH VII ZR 73/99). Die HOAI wäre eine Rechtsverordnung, welche aus einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage entstammt und deswegen nicht durch das BGB überlagert werden kann (vgl. Kniffka/Koeble-Kompendium des Baurechts Rn 288 3.Auflage). Eine Abnahme der Architektenleistung wäre für die Fälligkeit des Anspruches somit nicht erforderlich (BGH VII ZR 221/85). Dies gilt auch für die vorzeitige Beendigung eines Vertragsverhältnisses. Es genügt, wenn die Leistung abnahmefähig wäre, so der BGH in seiner Entscheidung.
Dies bedeutet, dass ohne Mitwirkung und Einfluss des Auftraggebers der Anspruch fällig geworden ist, wenn der Architekt die Ansicht vertreten hat, seine Leistung ist vertragsgemäß erbracht und seine Schlussrechnung ist prüffähig. Ein Verweigerungsrecht hat der Auftraggeber nicht.
Liegen wesentliche, nicht nachbesserungsfähige Mängel der Architektenleistung vor, könnte die Honorarforderung eigentlich nicht fällig werden. Dies ist aber trotzdem der Fall, wenn der Auftraggeber wegen solcher Mängel entweder das Honorar mindert oder im Wege des Schadensersatzes die Aufrechnung oder Verrechnung erklärt (BGH VII ZR 479/00).
Erbringt der Architekt eine vertraglich geschuldete Leistung teilweise nicht, dann entfällt der Honoraranspruch des Architekten ganz oder teilweise nur dann, wenn der Tatbestand einer Regelung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts des BGB oder des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts erfüllt ist, die den Verlust oder die Minderung der Honorarforderung als Rechtsfolge vorsieht (BGH VII ZR 259/02).
Damit wurde der Architekt, nach Ansicht des Verfassers, besser gestellt als der Auftraggeber einer beauftragten Leistung.
Die Aufnahme des Begriffs der „Abnahme“ jetzt in § 15 Abs. 1 HOAI 2013 als Fälligkeitsvoraussetzung hat also eine klärende und angleichende Funktion. Ob diese Regelung nun neu ist kann dahin gestellt bleiben. Durch die Anlehnung an § 641 BGB bringt die Regelung nun Klarheit. Dies auch hinsichtlich zur Verjährung und von Gewährleistungsfristen. Ein nebeneinander von unterschiedlichen Regelungen von Bauvertrag und Architektenvertrag gibt es in Bezug zur Abnahme nun nicht mehr. Der Auftraggeber wird besser gestellt als vorher.
Eine Klärung von unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten kann somit nicht überflüssig oder ungeeignet sein. Im Gegenteil, sie ist zu begrüßen.
Was ist nun eine prüffähige Schlussrechnung?
Dieser Sachverhalt müsste hinreichend bekannt sein und galt auch schon vor Einführung der HOAI 2013. Denn mit Urteil aus dem Jahre 2003 (BGH VII ZR 288/02) hat der BGH eindeutige Regelungen zur Prüffähigkeit einer Honorarrechnung aufgestellt.
Welche Möglichkeiten einer Abnahme bestehen nun?
Neben der ausdrücklich erklärten Abnahme bestehen noch die fiktive Abnahme (§ 640 Abs. 1 Satz 3 BGB) sowie die stillschweigend konkludente Abnahme.
Der Unternehmer, und nichts anderes ist der Architekt/Ingenieur, hat Anspruch auf die Abnahme, wenn das Werk – abgesehen von unwesentlichen Mängeln – vertragsgemäß hergestellt ist. Ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, bestimmt sich danach, ob es dem Auftraggeber zumutbar ist, die Werkleistung abzunehmen und die hierdurch eintretenden Rechtsfolgen hinzunehmen.
Was der versprochene Werkerfolg ist, ergibt sich aus dem geschlossenen Werkvertrag und nicht aus der HOAI. Dabei kann der vertraglich vereinbarte Werkerfolg vom Bauunternehmer und vom Architekten auseinanderfallen und nicht identisch sein. Es ist somit genau auf die vertraglichen Vereinbarungen abzustellen. Sieht der Architekt/Ingenieur diese vertraglichen Vereinbarungen als erfüllt an, so kann und sollte er die Abnahme seiner Leistung erklären. Die Abnahme beendet das Erfüllungsstadium und setzt die Gewährleistungsfristen in Gang.
Allerdings sind bei der Abnahme der Planungsleistungen noch die Grundsätze der Sekundärhaftung zu beachten, soweit Planungs- und Bauüberwachungsleistungen einheitlich übertragen wurden.
Weit verbreitet ist die Ansicht, dass mit Bezahlung der Schlussrechnung eine konkludente Abnahme erfolgt ist. Alle selbst geprüften Honorarrechnungen bei der öffentlichen Verwaltung verfahren nach diesem Schema. Selbst die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung vertreten die Ansicht, dass eine Abnahme der Planungsleistungen nicht notwendig wäre oder konkludent erfolgt mit der Bezahlung der Schlussrechnung. Dies wird aus einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2001 hergeleitet.
„In der vorbehaltlosen Bezahlung der geschuldeten Vergütung liegt regelmäßig eine konkludente Abnahme, denn durch die Zahlung bringt der Auftraggeber zum Ausdruck, dass er die vom Unternehmer erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht hinnimmt.“ (BGH, Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00).
Allerdings hat der BGH zusätzlich dem Auftraggeber eine angemessene Prüfungsfrist für die übergebenen Unterlagen eingeräumt (BGH X ZR 27/91 oder BGH VII ZR 377/83). Im Einzelfall hat der BGH entschieden, dass z.B. ab dem Besitz der gefertigten Tragwerksplanung eine Prüfungsfrist von 3 Monaten angemessen wäre (BGH VII ZR 64/09). Dies bedeutet, dass nach der letzten Übergabe der Statik Unterlagen der Auftraggeber eine Prüfungsfrist von 3 Monaten hat (im Einzelfall vielleicht auch länger!) und wenn er dann die Schlussrechnung vorbehaltlos begleicht, dann kann von einer konkludenten Abnahme infolge Zahlung gesprochen werden.
Allerdings, was passiert mit der gestellten Rechnung innerhalb der Prüfungsfrist. Ist diese fällig?
Nach Ansicht des Verfassers nein, Fälligkeitsvoraussetzung ist die Abnahme (auch konkludent).
Erstaunt ist man, wenn bestimmte "Sonderregelungen" in bestimmten öffentlichen Verwaltungen aus pragmatischen Gesichtspunkten bestehen.
So hat ein Jurist als politischer Verantwortlicher in einer Stadtverwaltung verfügt, dass Architektenleistungen nach den Grundsätzen der VOB/B abgenommen werden sollen.
Ist eine Architektenleistung denn eine Bauleistung nach VOB/B?
Entfaltet oder ersetzt eine Baugenehmigung eine rechtsgeschäftliche Willenserkärung eines Bauherrn?
Zur fiktiven Abnahme wird in § 640 Abs. 1 S. 3 wird festgelegt:
„Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.“
Dies setzt aber ein Abnahmeverlangen des Architekten voraus. Das Gesetz stellt die fiktive Abnahme der ausdrücklich verlangten Abnahme gleich. Der Auftragnehmer kann so die Abnahme selbst herbeiführen und hat somit ein Gestaltungsrecht. Die fiktive Abnahme gehört zum gesetzlichen Leitbild des Werkvertragsrechts.
Eine Abnahme durch Vollendung nach § 646 BGB ist möglich, sofern nach der Beschaffenheit des Werkes eine Abnahme nicht möglich ist (z. B. unkörperliche Werke wie Theateraufführung, Konzert). Davon kann man beim Architektenwerk sicherlich nicht sprechen. Denn der versprochene Werkerfolg des Architekten/Ingenieur ist nach unserer Ansicht abnehmbar. Auch dann, wenn dies einige verneinen möchten.
Wer also von § 646 BGB bei der Rechnungslegung ausgeht, muss also darlegen, dass sein vertraglich versprochenes Werk nicht abnehmbar ist (Darlegungs- und Beweispflicht des Verwenders).
Stellt sich die Frage, unter welchen Gesichtspunkten eine konkludente (durch schlüssiges Handeln des Bestellers) Abnahme erfolgt oder erfolgen kann. In jüngster Zeit hat der Bundesgerichtshof zu diesem Problemkreis einige Grundsatzentscheidungen getroffen.
Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteile vom 10. Juni 1999 - VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186 unter III 2 a; vom 22. Dezember 2000 - VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 262; vom 25. Februar 2010 - VII ZR 64/09, BauR 2010, 795 = NZBau 2010, 318 Rn. 21).
Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung und nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nach Bezug des fertiggestellten Bauwerks keine Mängel der Architektenleistungen rügt (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 2010 - VII ZR 64/09, aaO; vom 11. März 1982 - VII ZR 128/81, BGHZ 83, 181, 189). Vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist, deren Länge von der allgemeinen Verkehrserwartung bestimmt wird, kann der Architekt im Regelfall redlicherweise keine Billigung seines Werks erwarten (BGH, Urteil vom 20. September 1984 - VII ZR 377/83, BauR 1985, 200 unter 3; vgl. auch Urteil vom 28. April 1992 - X ZR 27/91, ZfBR 1992, 264 unter I 3 b bb). Der Besteller benötigt für die Prüfung des Werkes eines Architekten, der mit Planungs- und Überwachungsaufgaben betraut ist, einen angemessenen Zeitraum. Denn er muss verlässlich feststellen können, ob das Bauwerk den vertraglichen Vorgaben entspricht, insbesondere die vereinbarten Funktionen vollständig erfüllt sind und etwaige Beanstandungen auf Fehler des Architekten zurückzuführen sind. Dieser für die Prüfung notwendige Zeitraum bestimmt die in jedem Einzelfall zu bestimmende Prüfungsfrist und damit auch den Zeitpunkt, zu dem eine konkludente Abnahme in Betracht kommt.
Ausreichend erscheint hier eine Prüffrist von nicht mehr als sechs Monaten (BGH, Urteil vom 26. September 2013 - VII ZR 220/12).
Eine noch ausstehende Restleistung der Annahme einer konkludenten Abnahme des Architektenwerks kann dann nicht entgegensteht, wenn der Besteller bereit ist, das Werk auch ohne diese Restleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht zu akzeptieren (vgl. BGH VII ZR 220/12).
Die konkludente Abnahme der Tragwerksplanung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung, Bezahlung der Rechnung des Tragwerkplaners und mehrere Monate nach Einzug in das nahezu fertig gestellte Bauwerk keine Mängel der Tragwerksplanung rügt.
Beim Werk eines Statikers liegt eine konkludente Abnahme vor, wenn der Besteller dessen Pläne entgegennimmt und ihm gegenüber zu erkennen gibt, er wolle die Leistung als in der Hauptsache dem Vertrag entsprechend billigen (BGH, Urteil vom 15. November 1973 - VII ZR 110/71, BauR 1974, 67; Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108, 109 = NZBau 2002, 42 = ZfBR 2002, 61 f.). Eine konkludente Abnahme wird im Regelfall allerdings erst nach einer angemessenen Prüfungsfrist angenommen werden können, vor deren Ablauf eine Billigung des Werks redlicherweise nicht erwartet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1984 - VII ZR 377/83, BauR 1985, 200 = ZfBR 1985, 71; Urteil vom 28. April 1992 - X ZR 27/91, ZfBR 1992, 264, 265). Somit kann nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) mit dem Ablauf der dreimonatigen Prüfungsfrist von einer Billigung der Leistung ausgehen werden (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - VII ZR 64/09).
Da es sich bei der konkludenten Abnahme um eine rechtsgeschäftliche Abnahme im Sinne von § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, ist zur Rechtswahrung auch hier die Erklärung eines Vorbehalts hinsichtlich bekannter Mängel notwendig.
Nach alledem ist es nach unserer Ansicht nicht ratsam, auf eine konkludente Abnahme zu vertrauen.
Die Länge der Prüfungsfrist wurde durch den BGH im Einzelfall und sachbezogen festgelegt und kann auch länger oder kürzer sein. Damit bleibt durch die unbestimmte Prüfungsfrist die genaue Länge einer Gewährleistungsfrist für den Architekten/Ingenieur ungewiss.
Das sollte allgemein durch die vertraglich vereinbarte ausdrückliche Abnahmeerklärung vermieden werden.
Allerdings kann man auch bei anderen Sachverständigen die Empfehlung lesen, dass man einfach auf eine stillschweigende Abnahme vertrauen sollte. Dies sollte jeder Architekt/Ingenieur für sich selber entscheiden. Hat der Architekt/Ingenieur als Dienstleistender eine sehr gute Leistung erbracht, dann braucht er auch keine stillschweigende Abnahme sondern kann gemeinsam mit dem zufriedenen Kunden die Abnahme vollziehen.
In diesem Zuge sei auch auf die Regelungen zu Abschlagszahlungen in § 15 Abs. 2 HOAI 2013 hingewiesen. Ausgehend von der Öffnungsklausel in § 15 Abs. 4 HOAI 2013 sollten im Architektenvertrag individuelle Zahlungsweisen vertraglich vereinbart werden.
(Anmerkung: Der Text ist die persönliche Auffassung des Verfassers und stellt keine rechtliche oder bautechnische Beratung dar)