gerechter Lohn vs Nachtragsmanagement
Verlangen nach „gerechtem Lohn“ kontra Nachtragsmanagement
(Kommentar von Dipl.-Ing. U.Besecke LL.M)
Nach dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen und dem Forderungssicherungsgesetz (FoSiG) könnte der Eindruck entstehen, dass die Grundsätze des Nachtragsmanagements im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen stehen. Dies ist im Bezug der Nachtragsprüfung zu verneinen.
Der Grundsatz des § 631 BGB, dass nur eine vertraglich beauftragte geschuldete Leistung eine Vergütung bedarf, wird durch das Nachtragsprüfungsverfahren nicht verletzt.
Ein vermeintlicher Baunachtrag entsteht nach Vertragsabschluss und erst nach Prüfung der Sachlage, ob eine Vertragsänderung oder Erweiterung vorliegt. Danach kommt es zur Beauftragung. Erst daraus ergibt sich ein Zahlungsanspruch auf den möglichen Baunachtrag.
Die verbreitete Ansicht, dass sich der Zahlungsanspruch auf den möglichen Baunachtrag schon aus der Rechnungslegung ergibt, ohne Prüfung und Beauftragung durch den Auftraggeber, kann nicht zugestimmt werden. Allerdings und darauf sei jeder Auftraggeber hingewiesen, kann eine Anerkennung von Baunachträgen auch durch konkludentes Zahlungsverhalten im Sinne von Treu und Glauben entstehen.
Mit der vollständigen Zahlung der vom Auftragnehmer geforderten Vergütung für die Nachtragsleistungen hat der Auftraggeber das in der Abschlagszahlung enthaltene Angebot des Auftragnehmers zur Vergütung der Nachtragsleistungen angenommen, der Auftragnehmer konnte nach dem „objektiven Empfängerhorizont“ davon ausgehen, dass der Auftraggeber sein Angebot akzeptiert hat (i.d.S. Kammergericht Berlin Az. 21 U 155/06).
In diesem Sinne kann man auch das Urteil des X. Senats des Bundesgerichtshofes verstehen, der im Tenor des Urteils ausgeführt hat, dass ein Auftraggeber sich nicht auf eine Nichtigkeit einer Nachtragsvereinbarung wegen Doppelbezahlung einer Leistung berufen kann, wenn er diese gesonderte Vergütung selbständig anerkannt hat oder die Vertragsparteien sich in Ansehung dieser Frage verglichen haben (BGH X ZR 166/04).
Fordert also ein Auftragnehmer mit Hinweis auf das FoSiG eine schnelle Bezahlung seiner Abschlagsrechnung und sind in dieser Rechnung unbestätigte Nachträge enthalten, sollte jeder Auftraggeber vorsichtig sein. Der Druck des Auftragnehmers nach dem „gerechten Lohn“ kann sich somit negativ für den Auftraggeber auswirken und will eigentlich vom Nachtragsmanagement ablenken.
Ein nicht beauftragter Baunachtrag entsprechend dem rechtsverbindlichen Willen des Auftraggebers ist nicht fällig und kann kein „gerechter Lohn“ im ersten Augenblick sein. Mit einer vorbehaltlichen Zahlung der Abschlagsrechnung kann man den aufziehenden Streit aber abmildern. Auf die Kooperationspflicht der Vertragspartner sei in diesem Zusammenhang hingewiesen, wenn beide Parteien gewillt sind, den erhofften Erfolg herbei führen zu wollen.
Die Problemstellung soll an Hand eines Beispiels aufgezeigt werden.
Ein Abteilungsleiter eines Gebäudemanagements entgegnete auf die Einführung eines Vertrags- und Nachtragsmanagements zur Durchsetzung des 4-Augenprinzips in der öffentlichen Verwaltung, dass die Forderungen seiner beauftragten Baufirmen nach einer schnellen Bezahlung des „gerechten Lohnes“ und somit die Bezahlung von Rechnungen für ausgeführte Leistungen immer Vorrang hat als eine Bewertung von Baunachträge, was nach seiner Ansicht letztendlich nur zu einer verzögerten Rechnungsbegleichung führt. Diese Aussage erfolgte bei dem Hintergrund, dass bereits ein Nachtragsvolumen von über 20% in seinem Bereich vorlag, keines der Nachträge beauftragt waren und die Anweisungen meistens auf der Baustelle von den vollmachtslosen Architekten getätigt wurden. Die Frage nach einer Abweichung vom vertraglichen Bau – Soll hatte sich keiner der Beteiligten gestellt ("Geld ist doch immer da"). Verwies die Baufirma auf eine vermeintlich fehlende LV – Position, so wurde diese im Stundenlohn oder Baunachtrag ohne Nachfrage bezahlt.
Somit stellt sich die Frage, ob ein Vertrags- und Nachtragsmanagement unwirtschaftlich und kontraproduktiv ist und den Forderungen des FoSiG entgegenstehen. Diese Fragestellung kann man nur dann beantworten und verallgemeinern, wenn man die Hintergründe der Argumentation im Einzelfall kennt.
Die Forderung des Abteilungsleiters nach zügiger Bezahlung einer Vertragsleistung ist positiv zu bewerten und im FoSiG entsprechend verankert. Die beschleunigte Begleichung von ausgeführter mangelfreier Vertragsleistung mit entsprechendem Wertzuwachs ist rechtlich zu unterstützen.
Allerdings ist dies abzugrenzen von der Bezahlung von geforderten und nicht beauftragten Baunachträgen. Baunachträge sind vertragsrechtlich immer eine Abweichung vom vertraglichen Bau – Soll. Diese Abweichung, egal ob geänderte oder zusätzliche Leistung, verlangt einen rechtsverbindlichen Willen des Auftraggebers, also desjenigen, welcher mit der Betreuung und Verwaltung des öffentlichen Vermögens betraut ist.
Subjektiv kann der Fall vorliegen, dass der Abteilungsleiter denkt, dass der von der Baufirma geforderte Baunachtrag gerechtfertigt ist und in seinen Augen somit ein „gerechten Lohn“ darstellt.
Subjektiv ist es auch, wenn er nach seiner Ausbildung und Fähigkeiten einschätzt, dem Grunde nach sei der Nachtrag gerechtfertigt, weil ein unvollständiges Leistungsverzeichnis vorliegt oder der extern beauftragte Architekt die Zeichnungen geändert hat. Diese Subjektivität des Einzelnen reicht aber anscheinend aus verschiedenen Gründen nicht aus. Beide Gründe führen nicht automatisch zur Anerkennung eines Baunachtrages. Verstärkt wird der subjektive Eindruck noch mehr, wenn die handelnden Personen keine Vollmacht zur Ausübung von rechtsverbindlichen Willensäußerungen haben, diese aber ausüben möchten und damit den Anschein erwecken, dass sie die Zuständigkeit besitzen oder erworben haben ("Unterschrift=ich bin wichtig").
Subjektiv ist es auch, wenn der Abteilungsleiter dem Druck des Auftragnehmers nach sofortiger Bezahlung der Baunachträge nachgibt, weil die Baufirmen drohen, die Baustelle zu verlassen und dadurch politische Eröffnungstermine von prestigeträchtigen Bauvorhaben nicht eingehalten werden können. Untersuchungen haben ergeben, dass dieser politische Druck gerade vor Wahlen enorm für die handelnden Personen ist.
Dies sind aber allerdings keine Gründe für die Ablehnung eines Nachtragsmanagements. Stellt sich später bei Prüfungen im öffentlichen Bereich heraus, dass die getätigten Nachtragszahlungen nicht gerechtfertigt waren, wird dadurch das Vermögen des Auftraggebers dauerhaft verringert. In den meisten Fällen sind die politischen Entscheidungsträger auch Vermögensverwalter im Rechtssinn.
Die Forderungen eines Auftragnehmers nach der Begleichung des „gerechten Lohns“ kann somit nur an objektiven Rechtsfolgen gemessen werden. Objektiv heißt, dass die gesetzlichen Folgen des § 631 ff BGB untersucht und ausgelegt werden. Die Frage, ist ein Baunachtrag dem Grunde nach gerechtfertigt oder liegt eine bereits vertraglich geschuldete Leistung oder eine mangelhafte Planungsleistung vor, kann nur im Nachtragsmanagement beantwortet werden.
Dabei trägt die objektive Beweislast für den Baunachtrag der Auftragnehmer. Dieser hat zu beweisen, dass ein vertragswidriges Verhalten des Auftraggebers vorliegt, das eine Änderung des Bauentwurfes auf Anweisung des Auftraggebers vorgenommen wurde oder der Baunachtrag nicht Bestandteil des vertraglichen Bau – Solls ist. Die einfache Rechnungslegung des Auftragsnehmers stellt keinen Beweisantritt dar. Fehlt der Beweisantritt, fehlt ein Zahlungsanspruch oder ein rechtsverbindliche Vergleich der Zuständigen, kann es sich bei den Nachtragsforderungen in der Rechnung nicht um einen „gerechten Lohn“ handeln. Objektiv fehlt es dann an einer Anspruchsgrundlage.
In einem Baustellenbetrieb stehen Architekt, Ingenieur, Bauunternehmen und angestellte Bauherrenbetreuer in einem Spannungsfeld und einer gewissen Abhängigkeit. Dabei kommt jedem Einzelnen ein anderes subjektives Motiv zu, allerdings vereint sie der Werkerfolg auch politisch zu einer bestimmten Zeit das Bauwerk zu erstellen.
Die Bauunternehmen möchten eine Gewinnoptimierung vornehmen, d.h. den im Wettbewerb angebotenen Preis verbessern bzw. für berechtigte und angeordnete Änderungen auch bezahlt werden.
Der Architekt möchte seine Ideen verwirklichen und dabei die eigenen Haftungsrisiken als Erfüllungsgehilfe wegen mangelhafter Planung- und Ausschreibungsleistungen verringern.
Der angestellte Baubetreuer hat keinen unmittelbaren Bezug oder Haftung zur Finanzierung oder zur Kostensicherheit. Im Wesentlichen ist er seinem Arbeitgeber hinsichtlich seines Dienstvertrages verpflichtet. Im öffentlichen Bereich ist zusätzlich der politische Druck nicht zu unterschätzen.
Unter diesen Motiven ist ein unabhängiges Nachtragsmanagement Auslöser von Spannungen und kann nicht den Baubeteiligten alleine überlassen werden. Aber auch gerade diese unterschiedlichen Spannungsfelder machen ein Nachtragsmanagement um gerade einen „gerechten Lohn“ festzustellen auch außerordentlich schwierig. Letztendlich können nur gerichtliche Entscheidungen die Problemstellungen lösen, was eine unbefriedigende Sachlage darstellt.
Eine Lösungsvariante kann sein, dass sich alle Baubeteiligte auf ihre Kooperationspflicht hinsichtlich des geschuldeten Werkerfolgs besinnen.
Die Durchführung eines unabhängigen und objektiven Nachtragsmanagements kann den „gerechten Lohn“ dem Grunde und der Höhe nach ergründen, es steht aber in keinem Fall im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen. Ist der Baunachtrag nicht berechtigt, so kann kein Zahlungsanspruch nach dem „gerechten Lohn“ bestehen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das aufgezeigte Beispiel zu betrachten. Trotz unterschiedlichen Motiven besteht kurzfristig eine gemeinsame Interessenlage von Baufirma und Auftraggeberbeteiligten, dass die gerechtfertigte Ergründung des Baunachtrages in den Hintergrund drängt und das Nachtragsmanagement dadurch abgelehnt wird.
Bestehen die Vollmachten bei den handelnden Beteiligten auf der Baustelle nicht, sollte ein Nachtragsmanagement dem Grunde und der Höhe nach durchgeführt und die Nachtragsvereinbarungen vom bevollmächtigten Vermögensverwalter unterzeichnet werden. Grundsätzlich sollte dabei das 4-Augenprinzip beachtet werden.
In diesem Zusammenhang kann immer nur wieder auf § 179 BGB mit seinen Rechtsfolgen hingewiesen werden.
(Anmerkung: Der Kommentar stellt die persönlichen Ansicht des Verfassers dar und stellt keine rechtliche oder bautechnische Beratung dar oder ersetzt diese)