Kostenberechnung
Erscheinungsformen der Kostenberechnung von der HOAI2009 bis HOAI2013
(Dipl.-Ing. Uwe Besecke LL.M)
Nach Prüfungen von Honorarrechnungen, Auftraggeber waren im Wesentlichen die öffentliche Hand im Großraum Rhein/Neckar, sind nach der Reformierung der HOAI im Jahr 2009 neue Erscheinungsformen bei der Kostenermittlungsart Kostenberechnung erkennbar. Ob diese wirklich neu sind oder sich nur dahinter altbekannte Formen sind abzeichnen, soll ergründet werden.
Die Kostenberechnung stellt bekanntlich eine Kostenermittlungsart als Abschluss der Leistungsphase 3 nach HOAI dar.
Wie die Kostenberechnung erstellt werden soll, regelt § 2 Nr. 14 HOAI2009. Sie ist konkret auf Grundlage der Entwurfsplanung zu ermitteln. Sie kann nach den anerkannten Regeln der Technik oder sonstigen Kostenvorschriften auf der Grundlage ortsüblicher Preise angefertigt werden. Ein ausdrücklicher Zwang zur DIN 276-1 besteht nicht, außer sie ist Gegenstand des Werkvertrages. Wenn dies der Fall ist, dann sollte die Kostenberechnung bis zur 2.Ebene gegliedert sein. Entscheidend ist somit der geschlossene Vertrag.
Wesentlich konkreter war hier die HOAIalt. Sie sprach direkt in § 10 Abs. 2 HOAIalt von der Ermittlung der anrechenbaren Kosten auf Basis der DIN 276/81. Auch § 10 Abs. 5+6 HOAIalt bezog die DIN 276/81 direkt ein.
Die HOAI2009 spricht bei der Gebäudeplanung nur noch von Kosten der Baukonstruktion, Technische Anlagen oder Herrichten bzw. nicht öffentliche Erschließung (§ 32 HOAI2009). Das damit die Kostengruppen nach DIN 276-1/2008-12 gemeint sind, ergibt sich nur schwer dem Baulaien. Genau hier besteht die Gefahr für den Auftraggeber, bei Vertragsschluss keine genaue Abrechnungsgrundlage für den Honoraranspruch geschaffen zu haben. Ist die Grundlage der Abrechnung der anrechenbaren Kosten unbestimmt, bedarf es der Begriffsauslegung, was für den nicht Eingeweihten schwer sein durfte.
Umso wichtiger ist, dass zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten und zur Vermeidung von Streitigkeiten im Vertrag eine eindeutige Regelung getroffen wird. Sinnvoll dabei ist, die DIN 276-1/2008-12 als Grundlage der Kostenberechnung zu vereinbaren.
Vor der Reformierung der HOAI, einer der wichtigste Bestandteile war die Abkopplung des Honorars von den Baukosten, spielte für die Anwender der HOAI die Kostenberechnung in Bezug zu seinem Honorar nicht die entscheidende Rolle (27% Honoraranteil).
Baukostensteigerungen, in welcher Form auch immer, fanden beim Kostenanschlag oder bei der Kostenfeststellung seine Berücksichtigung. Bei vielen Prüfungen wurde festgestellt, dass sehr ungenaue und wissentlich falsche Berechnungen abgeben wurden. Entscheidend war, einen Bauherrn von niedrigen Baukosten zu überzeugen um den Auftrag bis zur Leistungsphase 8 überhaupt zu erhalten oder andere Mitbewerber „auszustechen“.
Dieses Verhalten der Architekten/Ingenieure führte bei vielen Bauherren oft dazu, dass die sich wirklich einstellenden Baukosten nicht mehr zu finanzieren waren und sie dadurch am finanziellen Abgrund standen. Ein Beispiel liefert dazu ein Gerichtsverfahren, welches am OLG Hamm verhandelt und am 21.7.2011 Recht gesprochen wurde.
Nicht anders war die Situation in der öffentlichen Verwaltung. In der Verwaltung war teilweise festzustellen, dass Baukosten politisch motiviert wurden um die Gremien zu überzeugen oder um ganz einfach die EU - Richtlinien zu umgehen. Die Architekten ließen sich dann in dieses Planungsphase ins „Boot“ ziehen. Schließlich wollte man Nachfolgeaufträge erhalten. Stellten sich dann die wirklichen Baukosten ein, sprach man dann einheitlich von „der Eigendynamik“ der Baumaßnahme. Dabei hielten die politischen Verantwortlichen es nicht für notwendig, die Gremien zeitnah über die enormen Kostensteigerungen zu informieren. Es spricht von einer gewissen Arroganz, wenn man die Ansicht vertritt, dass die Gremien erst informiert werden müssen, wenn die Baumaßnahme abgeschlossen ist.
Im rechtlichen Sinne war dieser Sachverhalt für den Architekten/Ingenieur in der Privatwirtschaft allerdings bedenklich.
Der Bundesgerichtshof hatte richtigerweise in einem Urteil entschieden, dass die Kostenermittlungsarten, somit auch die Kostenberechnung, als Teilerfolg der geschuldeten werksvertraglichen Vereinbarungen gelten (soweit diese im Vertrag vereinbart waren) und somit eine Art der Beschaffenheit der Leistung sind.
Kurz gesagt, die vertraglich geschuldete Leistung des Architekten/Ingenieurs war mangelhaft, wenn die Kostenberechnung nach Prüfung im Einzelfall und in gewissen Toleranzen stark abwich.
Der Architekt ist gehalten die wirtschaftlichen Belange zu beachten und eine zutreffende Beratung über die voraussichtlichen Baukosten vorzunehmen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 13.Aufl., Rdn 2289).
Im Rahmen der Vorplanung hat der Architekt den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken und ihm bekannte Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen (Kniffka/Koebele, Kompendium des Baurechts, 2.Teil Rdn. 405).
Der Architekt ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entstanden ist, dass der Auftraggeber infolge der fehlerhaften Kostenberatung von der Durchführung eines Bauvorhabens nicht abgesehen hat (BGH VII ZR 142/09).
An diesen Rechtsgrundsätzen hat sich auch nach der Reformierung nichts geändert. Denn es darf nicht vergessen werden, dass die HOAI Preisrecht und kein Vertragsrecht ist.
Der Gesetzgeber hat auf diese, dem Besteller schadende Erscheinungsform, reagiert und die Abkopplung des Honorars von den Baukosten vorgenommen.
Nun stellt sich die Frage, ob neue Erscheinungsformen bei der Kostenberechnung bei Prüfungen festzustellen sind.
Geändert hat sich teilweise nur die Abrechnungsform nach der HOAI, die Ursachen sind aber im Wesentlichen gleich geblieben.
Es hat sich gezeigt, dass in der derzeitigen Übergangsphase gerade kleinere und mittlere Büros mit dieser Abkopplung von den Baukosten nur unzureichend umgehen können. Es wird noch nicht die Wichtigkeit der genauen Berechnung der Baukosten in der Kostenberechnung der Leistungsphase 3 erkannt. Teilweise stecken diese Büros in einem Dissens zwischen der richtigen Anwendung und der gleich gebliebenen politischen Kommunalpolitik und der Auftragsbeschaffung in der Privatwirtschaft.
Lagen die Vorteile bei der Honorarrechnung nach HOAIalt noch beim Architekten/Ingenieur, so hat sich das nach der Reformierung zu Gunsten der Auftraggeber verschoben.
Dies steht jetzt im Einklang mit den Rechtsfolgen aus dem Werkvertragsrecht, obgleich aber diese Rechtsfolgen auch Vorteile für den Architekten/Ingenieur gewährt, soweit er diese kennt und auch bereit ist, diese konsequent anzuwenden. Doch hier liegen die meisten Defizite, was Prüfungen ganz deutlich zeigen.
Die neusten Prüfungen haben gezeigt, dass die Architekten/Ingenieure sich immer noch im Wesentlichen auf ihre kreativen und detailgetreuen Zeichnungen und Berechnungen verlassen und keinen gesteigerten Wert auf den Bereich der Baukosten legen. Baukosten sind weiterhin „Stiefkinder“.
Die neuen Erscheinungsformen sind teilweise schon aus früheren Zeiten vor der Reformierung bekannt, allerdings haben sie jetzt teilweise verheerende Auswirkungen auf den Architekten/Ingenieur. Entweder wird Honorar verschenkt oder es liegt eine mangelhafte Leistung bei Überschreitung der Toleranzen vor, was zur Honorarkürzung und Schadensersatz führen kann.
- unstrukturierte, zusammenhanglose Kostenberechnungen auf Basis überzogener Mengen und Einheitspreise ohne weitere Zuordnung zum Entwurf
- Kostenberechnungen mit pauschaler Ausweisung des zu erwartenden möglichen Inflationsausgleichs und /oder Baukostensteigerungen
- Kostenberechnungen mit einem allgemeinen Zuschlag für zu erwartende Baunachträge
- Kostenberechnungen nach vertraglich vereinbarter DIN 276-1/2008-12, welche aber nicht alle Kostengruppen enthalten, weil der Architekt die Meinung vertritt, dass diese Kostengruppen für ihn nicht interessant sind (z.B. KG 100, 200, 500, 600, 700)
- Gefälligkeitsberechnungen
- um Schwellenwerte einer EU-Ausschreibung nicht zu überschreiten
- um den Bauherrn die Anfangsfinanzierung zu sichern
- für politische Entscheidungshilfen
- um Aufträge zu akquirieren
- nach Kostenvorgabe des Auftraggebers infolge seiner Monopolstellung
- Kostenberechnungen aus Unwissenheit und dadurch falsche Zuordnung der Baukosten innerhalb der Kostengruppen der vertraglich vereinbarten DIN 276-1
- Kostenberechnungen auf Grundlage von Statistiken (z.B BKI - Werte) , welche keinen aktuellen Bezug zum Bauvorhaben haben
- Kostenberechnungen mit Scheinansätzen zur Erhöhung der anrechenbaren Kosten
(vertiefende Beispiele nur in der Vortragsreihe)
Kostenexplosionen durch Baunachträge
Korruptionsprävention durch Nachtragsmanagement
Architektenhaftung bei Baunachträgen
Bauzeitverschiebungen
Kostencontrolling
siehe dazu
Diese „Angstzuschläge“ sind derzeitig eine weitverbreitete Erscheinungsform bei der Kostenberechnung. Im Zeitpunkt der Erstellung der Kostenberechnung sind diese Erscheinungsformen vom Auftraggeber schwer zu erkennen, denn der Auftraggeber muss in dieser Phase eine Vertrauensbasis zum Architekten aufbauen können.
Obwohl den gerichtlichen Entscheidungen keine starren Kostentoleranzen für die Kostenberechnung zu entnehmen sind, stellt sich im Einzelfall die Frage, ob die Leistung des Architekten für den Auftraggeber brauchbar ist. Bei Abweichungen von über 20% wird man dies verneinen können. Starre Toleranzgrenzen gibt es sowieso nicht. Eine Auslegung im Einzelfall ist immer erforderlich. Werden die Abweichungen fahrlässig herbeigeführt, dann ist die Leistung mangelhaft und nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB zu beurteilen. Dies auch dann, wenn die politischen Gremien davon sprechen, dass man gespart hat und die geplanten Steuermittel nicht in Anspruch genommen wurden. Der öffentliche Auftraggeber erleidet auch dann einen nicht hinnehmbaren Nachteil, wenn er auf die „Angstzuschläge“ des Architekten bei der Kostenberechnung noch Honorar vergütet.
Bei den Prüfungen wurden auch krasse Erscheinungsformen beim Verkehrsanlagenbau festgestellt. So hat ein Verkehrsanlagenplaner für den Neubau einer Straße eine Kostenberechnung von ca. 1 Mio € aufgestellt und sein Honorar berechnet. Die Kostenfeststellung nach Abschluss der Maßnahme betrug nur ca. 600.000 €. Ganz fatal war, dass die öffentliche Verwaltung die örtliche Bauüberwachung (ehemals § 57) zur verbindlich geregelten Grundleistung, entgegen der HOAI, erhoben und das Honoar an die Kostenberechnung gekoppelt hat. Der Verkehrsanlagenplaner hat also ein Honorar für eine Bauüberwachung bekommen, welche es eigentlich in der Höhe von 1 Mio € nicht gab.
Stellt sich die Frage, ob dies gesetzeskonform und vom Gesetzgeber so gewollt oder ob der Sachverhalt nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB zu betrachten ist. Andererseits muss man auch die Frage stellen, aus welchem Grund die öffentliche Verwaltung solche Verträge schließt. Unwissenheit oder Gleichgültigkeit?
Prüfungen im Kanalbau oder Hochbau haben die unangemessenen und völlig überhöhten Kostenberechnungen (hierbei wird von Überhöhungen von >25% gesprochen) gerade in der geprüften öffentlichen Verwaltung aufgezeigt. So waren fehlerhafte überhöhte Mengenermittlungen und Nullpositionen in der Kostenberechnung bei einer Kanalbaumaßnahme an der Tagesordnung. Sicherlich sind solche Kostenberechnungen von Architekten/Ingenieuren eine mangelhafte Leistung und berechtigen nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB zum Honorarabzug.
Gleichzeitig erschleichen sich die Architekten/Ingenieure teilweise bewusst einen ungerechtfertigten Honorarvorteil, wie das Beispiel aus der geprüften öffentlichen Verwaltung zeigt.
Von einer mangelhaften Planung wird man auch ausgehen können .
Weitere Beispiele aus erheblich überhöhten Kostenberechnungen von Architekten/Fachingenieure und wie man diese in der Praxis erkennen kann, bewerten wir in unseren Fachvorträgen.