Rechtsschutz VOB(A)
Rechtschutzbedürfnis bei Anwendung der VOB/A
(Ansichten von Dipl.Ing. U.Besecke LL.M)
Die VOB/A ist nach der Reform schlanker geworden und beinhaltet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der letzten Jahre.
Was bleibt, ist die Frage nach dem Rechtsschutz der Bieter in einem öffentlichen Vergabeverfahren.
Ist das öffentliche Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte aus dem Gemeinschaftsrecht der EU angesiedelt, so bleibt es dabei, dass die Durchsetzung eines Primärrechtschutzes sehr schwierig sein könnte. Was bleibt, ist der Sekundärrechtschutz aus Verletzung vorvertragsähnlichen Vertrauensverhältnissen.
1. Schuldverhältnis Sekundärrechtschutz
Ein Schuldverhältnis mit Pflichten entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut (i.d.S. § 311 Abs. 2 BGB). Das Verschulden bei Vertragsschluss (Culpa in contrahendo) bezeichnet die schuldhafte Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis und kommt als Anspruchsgrundlage für den Sekundärrechtschutz des Anbieters nach der VOB/A 2009 in Frage.
Wie der Bundesgerichtshof in seinen grundlegenden Entscheidungen ausgeführt hat, begründet die VOB/A als Verwaltungsvorschrift im Außenverhältnis keine unmittelbaren Vertragspflichten und stellt somit kein Primärrechtschutz dar (z.B. BGH VII ZR 203/90). Selbst im Fall der Überwälzung eines ungewöhnlichen Risikos auf einen Bieter hat der BGH vertragliche Haftungsansprüche unmittelbar aus der VOB/A abgelehnt (i.d.S. BGH VII ZR 129/91). Dies ist auch für den Fall zu sehen, dass sich der Bieter auf ein unvollständiges Leistungsverzeichnis berufen will.
Für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte hat die VOB/A keine Rechtssatzqualität (i.d.S. BGH X ZR 101/97).
Die VOB/A enthält kein zwingendes Vertragsrecht in der Weise, dass statt geschlossener Vereinbarungen das Vertragsinhalt wird, was die VOB/A entspricht (i.d.S. BGH VII ZR 59/95). Das gilt auch für Vorschriften der VOB/A, die dem Schutz des Bieters dienen sollen (i.d.S. BGH VII ZR 47/93).
Soweit die Vorschriften der VOB/A verletzt werden die dem Schutz des Bieters zu dienen bestimmt sind, ist vielmehr zu prüfen, ob der konkrete Verstoß gegen die VOB/A im Einzelfall die Anwendung einer anspruchsbegründenden Rechtsnorm zu vermitteln geeignet ist. Dafür kommt das Rechtsinstitut des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) in Frage.
Allerdings stellt alleine der schuldhafte Verstoß des öffentlichen Auftraggebers gegen die VOB/A keine anspruchsbegründende Schutzpflichtverletzung dar. Er ist nur dann haftungsbegründend, wenn der Bieter in seinem schutzwürdigen Vertrauen auf die Einhaltung der VOB/A enttäuscht wurde (i.d.S. BGH VII ZR 107/86). Ein Vertrauen in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn der Bieter den maßgeblichen Verstoß gegen die VOB/A nicht erkannt hat. Darüber hinaus muss sein Vertrauen schutzwürdig sein. Dies ist es nicht, wenn er den Verstoß gegen die VOB/A bei einer zumutbaren Prüfung hätte erkennen können.
Liegt eine vergessene Position in einem Leistungsverzeichnis vor, leitet der Auftragnehmer daraus einen Nachtrag ab und bezieht sich alleine auf die eindeutig und so erschöpfend zu beschreibende Leistung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2009) oder auf die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009), so reicht das für die Haftungsbegründung nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, ob die vergessene Position Bestandteil des Werkvertrages (Erfolg, Funktion) ist oder ob die fragliche Leistung ohne zusätzliches Entgelt zu erbringen ist. Wenn es eine zusätzliche Leistung über den bestehenden Werkvertrag sein sollte, dann greift § 631 BGB i.V.m. § 2 VOB/B als Anspruchsgrundlage. Die Klärung erfordert eine umfassende Auslegung der Leistungsbeschreibung nach dem objektiven Empfängerhorizont.
Konnte der Bieter aber die fragliche Leistung bei zumutbarer Prüfung erkennen, kann keine Täuschung als Vertrauenstatbestand aus Verschulden bei Vertragsschluss vorliegen.
Liegt ein erkennbar unklares, unrichtiges oder unvollständiges Leistungsverzeichnis vor, dann muss der Auftragnehmer nämlich vor Abgabe seines Angebotes alle damit zusammenhängende Zweifelsfragen klären (i.d.S. OLG Düsseldorf BauR 2004, 504).
Für den Ersatz von getätigten Aufwendungen in einem Vergabeverfahren ergibt sich folgender Grundsatz.
Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus c.i.c. hat nach der Rechtsprechung des X. Senates des BGH ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter oder Bewerber darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere in Verfahren über Ausschreibungen abgewickelt wird. Voraussetzung eines Anspruchs aus c.i.c. ist aber, dass der Bieter sein Angebot tatsächlich im Vertrauen darauf abgibt bzw. im Vertrauen darauf zusätzliche Aufwendungen tätigt, dass die Vorschriften des Vergaberechts eingehalten werden. Ist dem Bieter bekannt, dass die Ausschreibung fehlerhaft ist, fehlt es - unbeschadet der Frage, ob in einem solchen Fall der Vergabeverstoß für den trotz der gleichwohl getroffenen Entscheidung des Bieters zur Teilnahme für den Schaden in Form der nutzlos aufgewendeten Beträge noch ursächlich sein kann - jedenfalls an diesem Vertrauenstatbestand. Bei einer solchen Kenntnis kann der Bieter nicht mehr berechtigterweise darauf vertrauen, dass der mit der Erstellung des Angebots und der Teilnahme am Verfahren verbundene Aufwand nicht nutzlos ist. Sein Vertrauen ist darüber hinaus regelmäßig nicht schutzwürdig, wenn er den Verstoß bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung hätte erkennen können (BGH X ZR 34/04).
2. Anspruch aus Schadensersatz unter Einbeziehung des entgangenen Gewinns (positives Interesse)
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH besteht, trotz Geltung der VOB/A und das Fehlen eines Aufhebungsgrundes, für den Ausschreibenden kein Grund, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag zu erteilen. Mit der Ausschreibung besteht kein Kontrahierungszwang. Den Vorschriften der VOB/A kann weder nach dem Wortlaut noch nach ihrem regelungszusammenhang ein Anspruch auf Erteilung eines Zuschlages entnommen werden (BGH X ZR 99/96).
Wird aber nach Aufhebung der Ausschreibung ein anderer Auftragnehmer, sei es auf der Grundlage einer neuen Ausschreibung oder freihändigen Vergabe, beauftragt, so ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Dabei ist die ausgeschriebene und die tatsächlich in Auftrag gegebene Leistung zu vergleichen, nicht aber die Verhältnisse vor der Ausschreibung aus welchen sich die Ausschreibung ergeben hat (BGH X ZR 282/02). Die bloße Fortsetzung oder Wiederaufnahme eines Zustandes vor der Ausschreibung stellt keinen Anspruch zum Ersatz des positiven Interesses eines Bieters dar.
Grundlage zum Ersatz des positiven Interesses aus c.i.c. ist nicht nur, dass dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag erteilt hätte müssen, weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hat, sondern auch, dass der Auftrag auch tatsächlich erteilt worden ist.
Erst durch die Erteilung des Auftrages erweist es sich für den Bieter, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben (BGH X ZR 232/00).
Dabei hat die Vergabestelle unter Beachtung der richtigen objektiven Anwendung der bekanntgemachten Vergabekriterien ein Wertungsspielraum (BGH X ZR 115/04).
3. Anspruch auf Vertrauensschaden aus Erfüllungsinteresse (negatives Interesse)
Diese Anspruchsart richtet sich grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens, d.h. auf Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für die Erstellung des Angebots oder der Teilnahme an der Ausschreibung.
In der Betrachtung können folgende Varianten zum Tragen kommen:
Ein Anspruch kommt nur für den Bieter in Betracht, der ohne Verstoß der Vergabestelle den Zuschlag erhalten hätte. Ein Verstoß zum Nachteil eines weiteren nachrangigen Bewerbers ist regelmäßig nicht kausal für den zu verzeichnenden Vermögensverlust dieses Bieters.
Dies ist aber anders zu betrachten, wenn die Vergabestelle dem nachrangigen Bieter rechtzeitig bestimmte Informationen erteilt und der Bieter unter diesem Gesichtspunkt die Aufwendungen für das Ausschreibungsverfahren nicht getätigt hätte (BGH X ZR 34/04). Solche Bieter kommen als Gläubiger eines auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruches ebenfalls in Betracht, wenn diese den Zuschlag nicht erhalten oder keine echte Chance darauf gehabt hätten. Einem in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Einleitung enttäuschter Bieter, der sich bei Kenntnis der Sachlage am Verfahren nicht beteiligt hätte, steht ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. zu (BGH X ZR 18/07).
Leitsatz des X. Senates des BGH
Bei Verletzung dieser Aufklärungspflicht kann ein Anspruch auf Ersatz für die mit der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren verbundenen Aufwendungen bestehen, wenn der Bieter in Kenntnis des Sachverhalts die Aufwendungen nicht getätigt hätte.
Ein Schadensersatzanspruch wegen eines Vergabefehlers des Auftraggebers gilt auch für Fälle, wo der Bieter den Auftrag in einem fehlerhaften Vergabeverfahren erhalten hat und sich nach Auftragserteilung herausstellt, dass der Auftraggeber vorvertragliche Pflichten verletzt hat und dadurch dem Bieter ein Vermögensschaden entstanden ist (BGH X ZR 86/08).
4. Schlussfolgerungen
Die Baupraxis zeigt, dass Vergabefehler durch die öffentliche Hand, gerade unterhalb der Schwellenwerte, in kleineren Gemeinden und Städten in nicht geringer Anzahl vorkommen. Vielfach unbemerkt von den beteiligten Bietern, obwohl diese Zeit und Geld in die Angebotserstellung investiert haben. Gerade in kleineren Kommunen passieren die überwiegenden Vergabefehler bei der Auswertung der Angebote. Sei es, dass unvollständige Angebote nicht ausgeschlossen werden, weil es das preisgünstigste Angebot darstellt oder Nachverhandlungen stattfinden um einen bestimmten Bieter zu beauftragen. Auch die Aktivierung von Alternativ- oder Eventualpositionen im Rahmen des Auswertungsvorganges ist nicht selten anzutreffen. Interessant wird es dort, wo die Planungsbeteiligten den Preisspiegel erstellen und der öffentlichen Hand auf dieser Basis einen Vergabevorschlag unterbreiten. Letztendlich sind das aber in Rheinland-Pfalz unzulängliche Verfahrensweisen, weil bereits die Verwaltungsvorschrift "Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung" dies ausschließt.
Die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruches auf positives Interesse unterhalb der Schwellenwerte scheint aber in der Praxis schwer durchsetzbar. Mehr Erfolg verspricht dagegen der Vertrauenstatbestand des negativen Interesses.
Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass, wenn man schon nicht den Auftrag erhalten hat, die Aufwendungen für die Angebotserarbeitung als Schadensersatz erstattet werden. Wenn also Anzeichen von Vergabefehler vorhanden sind, hier wird besonders auf § 14 VOB/A verwiesen, dann sollte man nicht die Mühen scheuen, die zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren.
Anzeichen können sein, dass der Auftrag auf ein besonders niedriges Preisangebot erteilt wird, die Ergebnisliste aus dem Submissionstermin sich nach der Angebotswertung geändert hat oder etwas anderes ausgeführt wird als wie ausgeschrieben.
Voraussetzung ist natürlich, dass man am Submissionstermin teilnimmt und einen Gesamteindruck bekommt.
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