Bedeutung der Urkalkulation

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Bedeutung der Urkalkulation

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Vergabeverfahren · Mittwoch 06 Jun 2018
Tags: UrkalkulationgeänderteLeistungenVOBNachtragspreisermittlung
Bedeutung der Urkalkulation
 
Zur Urkalkulation eines Angebotes bei Angebotsabgabe bestehen zahlreiche unterschiedliche Meinungen, Betrachtungen und Wertungen in unterschiedlichen Blogs oder Webseiten.
 
Daraus ergibt sich die Fragestellung, ob eine Urkalkulation im Bauvertragsrecht überhaupt eine Bedeutung hat?
Auf Grundlage der derzeitigen Rechtsprechung hat die Urkalkulation zweifellos im öffentlichen Vergaberecht bei der wirtschaftlichen Wertung im Angebotsverfahren und im öffentlichen Nachtragsmanagement eine wesentliche Bedeutung.

a)    Zur Kalkulation eines Unternehmers gibt es folgende Grundsatzentscheidung:
 
Die Kalkulation eines Unternehmers wird grundsätzlich nicht Geschäftsgrundlage, selbst wenn sie dem Besteller offengelegt wird (BGH, Urteil vom 28. Februar 2002 - I ZR 318/99).
 
Es ist Sache des Unternehmers, wie er den Preis eines Bauvertrags kalkuliert. Er trägt allgemein das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation (BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - X ZR 17/97, BGHZ 139, 177, 180 f.; Urteil vom 25. Juni 1987 - VII ZR 107/86, BauR 1987, 683, 684 = ZfBR 1987, 237, 238; Urteil vom 4. Oktober 1979 - VII ZR 11/79, BauR 1980, 63, 65; Urteil vom 28. September 1964 - VII ZR 47/63, WM 1964, 1253, 1254)
 
Eine fehlerhafte Kalkulation liegt im Risikobereich des Bieters; grundsätzlich hat der Bieter das Risiko seiner Fehlkalkulation zu tragen.
 
Besondere Gründe, die die Annahme rechtfertigen, der Auftraggeber habe die Kalkulation in seinen Geschäftswillen ungeachtet des Umstandes aufgenommen, dass es grundsätzlich Sache und Risiko des Unternehmers ist, wie er kalkuliert (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1985 - VII ZR 188/84, BauR 1986, 334 = ZfBR 1986, 128), sind nicht ersichtlich. Der Auftraggeber hat keinen Anlass, die ihm in der Regel nicht bekannten Kalkulationsgrundlagen in seinen Geschäftswillen aufzunehmen.

b)    Öffentliche Vergabeverfahren
 
 
Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Auftragserteilung an das Vergabeverfahren nach VOB/A (Unterschwellenvergabe) gebunden.
 
Die VOB/A schreibt vor, dass neben der Eignung des Bieters auch der Angebotspreis hinsichtlich Angemessenheit zu werten ist. Zu dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Angebotes kann der öffentliche Auftraggeber bestimmte Unterlagen fordern, soweit diese in der Bekanntmachung öffentlich benannt wurden. Dies kann die Forderung nach der Urkalkulation sein.
 
Die Rechtsprechung dazu:
 
Der öffentliche Auftraggeber ist zwingend auf die Urkalkulation sowohl im Rahmen der Angebotswertung als auch nach Zuschlagserteilung angewiesen. Eine Beschaffung der in der Urkalkulation enthaltenen Informationen auf anderem Weg ist nicht möglich (vgl. Vergabekammer des Bundes VK 1-64/10).
 
Macht der öffentliche Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung zur Angebotseinholung oder bei einer Nachforderung kund, dass die Urkalkulation bereits vor der Zuschlagserteilung vorzulegen ist, bringt die Vergabestelle ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme zum Ausdruck.
 
Abgesehen davon macht alleine schon die Anforderung der Urkalkulation durch einen öffentlichen Auftraggeber diese Unterlage wertungserheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob der Nachweis etwa auch aus Sicht eines Bieters relevant ist oder nicht (BGH X ZR 19/02).
 
Der öffentliche Auftraggeber darf auch bereits im Vergabeverfahren im Rahmen der Angebotsprüfung die Urkalkulation zur Überprüfung bestimmter Preise heranziehen. Der Auftraggeber ist berechtigt, den Umschlag zu öffnen und die Kalkulation einzusehen (vgl. OLG Düsseldorf VII-Verg 12/10).
 
Manche Anbieter nehmen diese Hinweise nicht so ernst. Dies kann schwerwiegende Folgen, bei der Auftragserteilung bis hin zum Ausschluss aus dem Bieterverfahren, haben
 
Reicht der Bieter die Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag mit dem Vermerk „Nur öffnen nach Rücksprache mit Bieter“ ein, ist der Bieter auszuschließen, weil die rechtmäßig angeforderte Urkalkulation nicht ordnungsgemäß eingereicht wurde (vgl. OLG Düsseldorf VII-Verg 16/10).
Der Vermerk ist als unzulässige Bedingung und somit die Urkalkulation als nicht eingereicht anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf VII-Verg 12/10).

Eine andere Ansicht vertritt das OLG Oldenburg in einer jüngeren Entscheidung.
"Das Anbringen des Sperrvermerks auf einer Urkalkulation, führt nicht zum Ausschluss des Bieters, da es keine „Änderung an den Vergabeunterlagen“ darstellt, sondern als formaler Mangel des eingereichten Angebots einzustufen ist, der der Nachforderung nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unterliegt.
Der Begriff „Änderungen an den Vergabeunterlagen“ ist weit zu verstehen und umfasst alle Eingriffe mit verfälschendem Ergebnis."
Bei der nicht klaren Rechtsprechung kann man nur empfehlen, auf den Umschlag mit der Urkalkulation nicht zu vermerken, dass diese „nur im Beisein des AN zu öffnen“ sei.
 
Aus diesen wenigen Auszügen aus der Rechtsprechung kann man erkennen, wie wichtig die richtige Erarbeitung und Vorlage einer Urkalkulation im Angebotsverfahren für den Anbieter sein kann.

c)    Nachtragsmanagement – Nachtragspreisermittlung
 
Ein sehr großer Mythos im Baugewerbe ist, dass bei Baunachträgen in der öffentlichen Verwaltung einfach ein neuer Preis, Schlagwörter sind Zulage, Erschwernis usw., gebildet werden muss und fertig.
Selbst s.g. Experten empfehlen, einfach für die geänderten oder zusätzlichen Leistungen neue Angebote einzuholen um dann die „Angemessenheit“ und „Ortsüblichkeit“ festzustehen.
Hier kann man nur schmunzeln.
Der öffentliche Auftraggeber unterliegt der VOB/B und da ist ganz klar der Vergütungstatbestand für einen Baunachtrag geregelt.
 
Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren, § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B.
 
Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren, § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B
 
Dazu der BGH in einer Grundsatzentscheidung:
 
„Die Ermittlung der Vergütung für eine geänderte Leistung erfolgt auf der von den Parteien vorausgesetzten Grundlage einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung in der Weise, dass - soweit wie möglich - an die Kostenelemente der Auftragskalkulation angeknüpft wird.
 
Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die Auftragskalkulation der geänderten Position, was allerdings nicht ausschließt, dass sich die Mehr- und Minderkosten infolge einer Leistungsänderung auch in anderen Positionen ergeben können.“ (BGH VII ZR 142/12)
 
Diesem Grundsatz haben sich die Instanzgerichte angeschlossen.
 
Daraus folgt, dass ein auf § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B gestützter Mehrvergütungsanspruch ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Urkalkulation bzw. einer plausiblen Nachkalkulation unschlüssig und die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen ist (OLG Düsseldorf 22 U 37/14).
 
Denn ungeachtet der Tatsache,  dass auch in den Fällen, in denen die Urkalkulation die Kostenelemente nicht enthält, die aufgrund der Änderung der Leistung nunmehr für die Preisbildung maßgeblich sind, nach einer vergleichbaren Position in der Urkalkulation des gesamten Vertrages gesucht und anhand dieser Positionen die Kalkulation analog fortgeschrieben werden muss, um das Preisniveau zu sichern, kann eine Entscheidung über die Frage, ob eine Fortschreibung auf der Grundlage der Urkalkulation überhaupt möglich ist, nicht ohne deren Vorlage getroffen werden.
 
Einfache Nachtragsangebote ohne Kalkulationsdokument stellt keine Urkalkulation dar. Sie erläutern die geltend gemachten Preise weder in einer kalkulatorischen Weise noch stellt sie einen Bezug zur Urkalkulation her. (OLG Dresden  9 U 764/14).
 
Nun kann man diese Tatbestände natürlich einfach negieren. Allerdings muss man aber auch bedenken, wenn man erfolgreich einen Baunachtrag durchsetzen möchte, dass der Auftragnehmer für den Nachtragsanspruch darlegungs- und beweislastig ist. Nicht nur muss der Auftragnehmer die richtige Anspruchsgrundlage „dem Grunde nach“ wählen sondern er hat prüffähig „der Höhe nach“ den Vergütungstatbestand darzulegen.

Wie will der Bauunternehmer aber ohne Urkalkulation erfolgreich die Anforderungen aus der o.g. Rechtsprechungen und des § 2 Abs. 5+6 VOB/B erfüllen?

Fazit:
 
Damit dürfte die Eingangsfrage zur Bedeutung der Urkalkulation beantwortet sein.
 
Man kann jedem Anbieter bei Verfahren in der öffentlichen Verwaltung nur empfehlen, sein Augenmerk auch auf seine Urkalkulation zu richten. Dies besonders auch im Hinblick auf mögliche Baunachträge bei der Bauausführung.
 
Man kann mit einer vorausschauenden Urkalkulation viel Ärger und Streitigkeiten sparen.

Siehe dazu auch unsere Inhouseschulung hier oder wie man ein unabhängiges Nachtragsmanagement aufbaut  hier


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