Aufbau Nachtragsmanagement

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Aufbau Nachtragsmanagement

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Baunachtrag · Dienstag 25 Aug 2020
Tags: AufbauNachtragsmanagementNachtragsprüfung
Aufbau eines betrieblichen Nachtragsmanagement

Wir werden als Projektmanager öfters in Inhouses-Schulungen (derzeitig Online oder im kleinen Kreis mit Hygienekonzept) gefragt, warum ein eigenes betriebliches Nachtragsmanagement sinnvoll ist.

Besonders, wenn wir die öffentliche Verwaltung prüfen, stellen wir in der Kommunikation fest, dass ein betriebliches Nachtragsmanagement nicht notwendig sein soll. Die Baukosten sind so wie sie sind, ist halt so, kann man sowieso nichts machen und außerdem sind die Mehrkosten alles s.g. "Sowieso-Kosten" und die muss man bezahlen. Was gemacht wurde, muss auch bezahlt werden. Um sich vertragsgerecht zu verhalten, müssen die Rechnung ausbezahlt werden, sind unverständliche Anweisungen der Führungskräfte.

Sind diese Gedanken der Entscheidungsträger wahr?
Kann man sich wirklich sicher sein, dass diese Gedanken wahr sind oder sind diese nur für das eigene EGO ("ich habe Recht") vorgeschoben wurden?

Wie würden sie reagieren, wenn bei Um- oder Neubau ihres eigenen Eigenheimes sich die Baukosten so einfach mal um 15% erhöhen oder die Bauzeit sich um 1 Jahr verlängert? Was wären Ihre Gedanken?
  • Reicht der Kredit oder bekomme ich eine Nachfinanzierung?
  • Warum ist mein privates Bauvorhaben überhaupt so teuer geworden?
  • Was mache ich und wo soll ich wohnen, wenn sich mein neues Zuhause um ein Jahr verzögert?

Diese Fragen werden gestellt, weil es um sein eigenes Konto geht und nicht um ein imaginäres Konto.

Ist es mein Geld oder sind es fremde Gelder über die ich entscheide, um mein eigenes EGO aufzupolieren.

Grundsätzlich gilt der Grundsatz: "Ohne Rechtsanspruch keine Vergütung"

Können überhaupt unmittelbar Beteiligte an einer Baumaßnahme objektiv und unbefangen über Rechtsansprüche und dessen Rechtsfolgen entscheiden und haben Sie die entsprechende Ausbildung im Rechtssinn?
Grundsätzlich entscheiden bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung Juristen über technische Sachverhalte und dessen Anspruchsarten und nicht Architekten/Ingenieure.

Was passiert, wenn kein unabhängiges unbefangenes Nachtragsmanagement besteht, kann man nicht nur beim BER Berlin, Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie sehen sondern auch in ganz normalen mittleren Kommunen.

In welchem Spannungsfeld bewegen wir uns überhaupt auf jeder Baustelle?

 
Nur mal zwei Beispiele aus der reallen Praxis.
In einer Kommune wird Anfang 2018 beschlossen, eine KiTa mit ca 1.300m2 zum Gesamtpreis von 4,50 Mio € bis Ende 2019 zu bauen. Anfang 2019 stellt man dann fest, dass die Kosten sich auf 5 Mio € erhöhen und die Fertigstellung erst Ende 2020 sein wird.
 
Ende 2017 wird der Beschluss gefasst, eine neue Einfeldsporthalle für 2,55 Mio € für den Schulsport zu bauen.Die Schulkinder sollen im neuen Schuljahr 2019 die Halle nutzen können. Allerdings stellt man Mitte 2019 fest, dass die Bauzeit sich bis Ende 2020 verschiebt und die Kosten auf 3,20 Mio € steigen.
 
Die Begründungen sind immer die selber. Es waren besondere Umstände, natürlich auch wegen Corona und unvorhersehbare sonstige Leistungen.

In vielen Fällen, auch wegen der fehlenden Berufsausbildung, wird der Rechtsanspruch der Nachträge nicht geprüft. Anordnung und Vollmacht was ist das? Was gemacht wurde, muss auch bezahlt werden.

Eine Nachtragspreisermittlung auf Basis des Hauptangebotes, wie beim VOB-Vertrag festgeschrieben, findet nicht statt. Architekten/Bauingenieure, welche unmittelbar an der Maßnahme beteiligt sind, prüfen die Nachträge ohne eigene ausreichende Rechtskenntnisse (beachte Rechtsdienstleistungsgesetz) zu haben und stellen fest, dass Leistungen nicht im Leistungsverzeichnis stehen und die Preise marktüblich/ortsüblich und angemessen sind. Eine Prüfung entsprechend dem geschuldeten Werkerfolg und Funktion einer Leistung sind meistens kein Thema.

Was ist "stand nicht im Leistungsverzeichnis" für ein Rechtsanspruch dem Grunde nach und was ist marktüblich und angemessen für eine Preisermittlung der Höhe nach entsprechend dem VOB-Vertrag?

Ob vielleicht eine unzureichende Planungsleistungen vorliegen könnte ist ein Sachverhalt, mit der sich keiner beschäftigt. (siehe dazu Leistungsstörungsrecht im Architektenvertrag).
 
Betrachtet man die Zahlen von Kostensteigerungen stellt man schnell fest, wie effektiv ein unabhängiges Nachtragsmanagement sein könnte. Es legt auch einen Grundstein für die Korruptionsprävention und des Compliance Managements in jeder öffentlichen Verwaltungsstruktur. Dazugehörige Dienstanweisungen für die Mitarbeiter mit entsprechenden Verhaltensstandards und der Überwachung, dass diese auch eingehalten werden, sollten im Rahmen des Compliance selbstverständlich sein.

Aber auch die Zahlen verdeutlichen, wie angebracht ein Nachtragsmanagement in jedem mittelständischen Bauunternehmen sein kann. Denn ein effektives Nachtragsmanagement beginnt mit der Kalkulation und der Erarbeitung des Angebotes. Schon auf dieser Stufe sollte man den Weitblick haben, was später Alltag auf jeder Baustelle ist und was alles beachtet werden muss.
Was ist notwendig, um gerechtfertigte Baunachträge rechtssicher durchsetzen zu können?
 
  • Wer ist Ansprechpartner auf der Baustelle um rechtsgeschäftliche zahlungsbegründete Willenserklärungen wie z.B. Anordnungen zu treffen?
 
  • Wer darf was auf der Baustelle anordnen und was muss ich wem sagen und schriftlich mitteilen, dass man „am Ende des Tages“ eine entsprechende Vergütung erhält.
 
  • Was muss ich beachten, wenn z.B. Null- und Scheinpositionen vorliegen und die Auftragssumme wesentlich unterschritten wird und somit meine Kalkulation hinsichtlich AGB, BGK und W+G nicht mehr aufgeht?
 
  • Wie gehe ich auf der Baustelle mit angeblichen „unklaren oder unvollständigen“ Leistungsverzeichnissen um?

  • Wie ermittle ich rechtssicher einen berechtigten Baunachtrag auf Basis des Hauptangebotes beim VOB-Vertrag?

  • Welche Bedeutung hat die Urkalkulation bei öffentlichen Auftraggebern und was muss ich als Auftragnehmer beachten?

  • Kann ich einfach die Leistung verweigern, wenn es Streitigkeiten bei Baunachträgen gibt?

Jeder erfahrene Baupraktiker in einem Bauunternehmen kennt völlig unzureichende Planungen und Ausschreibungen in Vergabeverfahren der öffentlichen Verwaltung.

"Ganz abgesehen davon sind sorgfältige Planung und Disziplin bei der Abwicklung keineswegs sonderlich verbreitet, zumal sie für Planer und Überwacher aufwendig sind, wobei der Aufwand für Sorgfalt sich als nicht vergüteter Kostenfaktor darstellt, während die Folgen unsorgfältiger Planung zur Entgelterhöhung durch Erhöhung der anrechenbaren Kosten führen." (Thode, Hamburger Baurechtstage).

Es ist viel einfacher als Planer und Bauüberwacher von seiner eigenen schlechten Ausschreibung abzulenken und festzustellen, dass alles marktüblich und angemessen ist wenn man merkt, dass die Baubetreuer und politischen Verantwortlichen gar kein Interesse haben, die Kostensteigerungen ersthaft zu prüfen.

Dazu hat auch das OLG Brandenburg im Urteil 11 U 170/11 festgestellt:
"Lücken und Widersprüche im Leistungsverzeichnis gehören zu den typischen Planungsfehlern im technischen Bereich und machen das Werk des Architekten mangelhaft (vgl. Häußermann in Motzke/Preussner/Kehrberg/Kesselring, Die Haftung des Architekten, 9. Aufl., Teil M Rdn. 38 ff., 41; Werner in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rdn. 1996; jeweils m.w.N.)."

Nach unserer Ansicht ist aber ein weiterer Punkt zu beachten.
Bei allen Überlegungen darf allerdings nicht das Kooperationsgebot der Vertragspartner unbeachtet bleiben (Kommunikation ist Schöpfung). Dazu ist es notwendig, objektiv und unbefangen in die Verhandlungen dem Grunde und der Höhe nach zu gehen. Diese Verhandlungen können einen größeren Zeitraum umfassen.
Darum vertreten wir die Auffassung, dass eine Abtrennung des Nachtragsmanagement vom operativen Geschäft auf der Baustelle sinnvoll ist. Gleichzeitig ist bei diesen Verhandlungen Spezialwissen im Werkvertragsrecht und der Bauwirtschaft/Kalkulation notwendig.
 
Hier käme jetzt das unabhängige, in der Kommunikation geschulte betriebliche Nachtragsmanagement zum Tragen, welche sich natürlich die Hilfe und Unterstützung von anderen Fachbereichen holen kann.

Der erste Schritt ist, dass man innerlich die Bereitschaft als Führungskraft entwickelt, sein eigenes "ich habe Recht"-Ego zurückzusetzen und objektiv und unbefangen eine Bewertung vorzunehmen.
Der zweite Schritt wäre die Bereitschaft zu haben, ein betriebliches Nachtragsmanagement zu installieren und seine Mitarbeiter entsprechend zu schulen.

Dabei können wir Sie nachhaltig ünterstützen. (hier)



(Anm.: Die Ausführungen sind die persönlichen Auffassungen des Verfassers und stellen keine bautechnische und rechtliche Beratung im konkreten Einzelfall dar)





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