Anspruch und Vergütung Baunachträge

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Anspruch und Vergütung Baunachträge

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Baunachtrag · Donnerstag 25 Apr 2019
Tags: NachtragsermittlungNachtragsvergütungAnspruchBaunachtrag
Anspruch und Vergütung eines Baunachtrages
 
(Auszug aus Inhouse-Schulung "Prüfung von Anspruchsgrundlagen bei Baunachträgen" hier oder "Methoden zur Nachtragsprüfung" hier)

Jedem sollte im Leben klar sein, dass man eine Vergütung nur auf Grundlage eines Rechtsanspruches verlangen kann. Man kann z.B. einen Arbeitslohn (Vergütung) nur auf Grundlage eines geschlossenen Arbeitsvertrages (Anspruch) beanspruchen.
 
Nicht anders ist es im Werkvertragsrecht, sei es nach einem BGB-Vertrag oder einem VOB-Vertrag.
 
Grundsätzlich hat ein Bauunternehmer auf Grundlage eines übersandten Leistungsverzeichnisses dem Auftraggeber (Bauherr) ein Angebot über eine bestimmte Bauleistung gemacht. Wenn der Bauherr, ob mündlich oder schriftlich, dieses Angebot annimmt, wurde ein Werkvertrag geschlossen und nach Leistungserfüllung durch den Bauunternehmer besteht ein Anspruch auf die Vergütung. Die Anspruchsgrundlage ist somit der geschlossene Werkvertrag.

Wie ist es nun mit sogenannten Baunachträgen?

Ein Mehrvergütungsanspruch besteht nur dann, wenn eine Anspruchsgrundlage vorhanden ist.
 
Grundsätzlich besteht mit dem Vertragsschluss eine Erfolgshaftung des Bauunternehmers was bedeutet, dass der Bauunternehmer das geschuldete und versprochene Werk schuldet und dieses Werk auch noch funktionieren muss. Was das geschuldete Werk ist, ergibt sich aus der Vertragsauslegung und nicht nur aus einem Leistungsverzeichnis. Dabei dürfen Begriffe und ihre Definitionen nicht verwechselt werden.
 
Im Rechtssinn ist eine Leistungsbeschreibung des Werkerfolgs was anderes als ein Leistungsverzeichnis.
Dies auch dann, wenn Architekten/Ingenieure dies nicht wahrhaben wollen.
 
Die Leistungsbeschreibung ist die Beschreibung der vertraglichen Leistungsverpflichtung.
Als Leistungsbeschreibung wird die Gesamtheit der Angaben über die nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen verstanden, unabhängig davon ob es sich um zeichnerische, verbale oder konkludente Angaben handelt (so Thode/Quack in Hamburger Baurechtstage).

Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an.
 
Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 27. Juli 2006 - VII ZR 202/04).

Baunachträge sind Aufträge, durch die der ursprüngliche Vertrag ergänzt, geändert oder erweitert wird. Sie entstehen grundsätzlich nach einem Vertragsschluss.

Dies bedeutet letztendlich, dass der geschuldete Werkerfolg des Bauunternehmers in irgendeiner Form durch den Auftraggeber/Bauherr geändert, ergänzt oder erweitert wurde.
 
Stellt sich die Frage, wie ein Auftraggeber den Werkerfolg des Bauunternehmers ändern, ergänzen oder erweitern kann? Durch eine Anordnung (Willenserklärung) infolge des Leistungsbestimmungsrechts.
 
Der Auftraggeber muss eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der Anordnung um eine verpflichtende Vertragserklärung handelt (BGH VII ZR 129/91). Eine ausdrückliche oder konkludente Anordnung eines Auftraggebers mit dem Inhalt der Änderung, Ergänzung oder Erweiterung bedarf einer rechtsgeschäftlichen Erklärung, für deren Wirksamkeit die Regeln einer Willenserklärung gelten, insbesondere auch des Vertretungsrechts (BGH VII ZR 346/01).

Allein die Mitteilung des Bauunternehmers an den Auftraggeber, es lägen veränderte Umstände vor, rechtfertigt die Annahme einer vertragsändernden Leistungsbestimmung nicht (vgl. Thode, ZfBR 2004). Notwendig ist vielmehr zumindest ein Verhalten des Auftraggebers, aus dem eine rechtsgeschäftliche Anordnung abzuleiten ist (vgl. Kniffka, IBR-online-Kommentar).

Allein die Veranlassung der geänderten oder zusätzlichen Leistungen durch den Architekten reicht nicht aus, einen Vergütungstatbestand auszulösen (BGH VII ZR 53/03). Zusatzarbeiten mit rechtsgeschäftlicher Bindung können grundsätzlich nicht durch den Architekten vergeben werden, da seine Stellung, sofern er nicht ausnahmsweise insoweit ausdrücklich bevollmächtigt ist, nicht die Berechtigung umfasst, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, die dem Bauherrn erhebliche Verpflichtungen auferlegen.

Selbst wenn die Veränderung der Bauumstände - wie z.B. durch ein unzureichendes Leistungsverzeichnis - aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers stammt, rechtfertigt allein eine Bauablaufstörung noch nicht ohne weiteres die Annahme einer Anordnung (vgl. Kniffka IBR-online-Kommentar). Vielmehr ist das Verhalten des Auftraggebers - unter Berücksichtigung des Kooperationsgebots (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.2001, VII ZR 248/00), wonach sich der Auftraggeber nicht hinter einem Schweigen verschanzen darf, sondern nach Treu und Glauben gehalten ist, sich zu erklären (d.h. eine Anordnung zu treffen oder diese zu verweigern, vgl Kniffka) - auszulegen.
  
Damit ist klar, dass sich eine rechtliche Anspruchsgrundlage auf die Vergütung für einen möglichen Baunachtrag aus einer Anordnung als rechtsgeschäftliche Willenserklärung herleiten lässt. Dies kann ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht z.B. nach § 1 Abs. 3+4 VOB/B sein. Das eine Anordnung des Auftraggebers vorliegt, muss der Bauunternehmer darlegen und beweisen.
 
Davon abzugrenzen sind s.g. „Baunachträge“, welche in Wirklichkeit Schadensersatzansprüche oder Entschädigungen sind, wie z.B. Bauverzug und Baubehinderungen.
Es ist somit bei der Findung der Anspruchsgrundlagen zwischen einer Vergütung infolge einer ergänzenden Vertragsgestaltung und Schadensersatzforderungen/Entschädigung zu unterscheiden.

Anspruch aus einem s.g. „unvollständigen Leistungsverzeichnis“
Prüft man die Nachtragsbeurteilungen von Architekten/Ingenieuren fallen folgende Schwerpunkte auf.
 
1) Eine rechtliche Anspruchsgrundlage für einen Baunachtrag wird mit einer fehlenden Position/Positionstext im Leistungsverzeichnis begründet. Das Motto ist dabei, „was nicht im Leistungsverzeichnis steht muss ein Baunachtrag sein“.
 
2) Ein Baunachtrag wird mit einer „Zulage“ oder einem besonderen „Erschwernis“ bzw. „Mehrmengen“ als gerechtfertigt begründet.
 
3) Die eigenständige technische Änderung an Zeichnungen als Anordnung an den Bauunternehmer ohne dafür vom Bauherrn eine Vollmacht zur Vertragsänderung zu besitzen.
 
4) Anspruchsgrundlagen für einen Nachtrag werden ausschließlich mit dem „technischen Tunnelblick“ bewertet, weil die notwendige rechtliche Ausbildung fehlt.
 
5) Die Nachtragspreisermittlung erfolgt mit den Feststellungen, dass die Preise „marktüblich und angemessen“ sind.

Stellt sich rechtlich die Frage, ob es hinsichtlich der Erfolgshaftung beim Werkvertrag überhaupt ein unvollständiges Leistungsverzeichnis gibt und ob es überhaupt auf eine „Vollständigkeit“ eines Leistungsverzeichnisses ankommt?
 
Gibt es überhaupt einen unvollständigen Werkerfolg beim Angebot des Auftragnehmers?
 
Technisch mag ein Leistungsverzeichnis vielleicht unvollständig oder lückenhaft sein, im Sinne des Vertragsrechtes mit Blick auf die Leistungsbeschreibung des versprochenen Werkerfolgs und deren Auslegung ist dies nicht der Fall.
  
Ein Auftragnehmer, der bei für ihn erkennbar lückenhaftem Leistungsverzeichnis ohne vernünftigen Bezug zur Ausschreibung mehr oder weniger "ins Blaue hinein" kalkuliere und damit die Gefahr späterer Nachforderungen heraufbeschwöre, um daraus Vorteile zu ziehen, ohne seine Aussichten auf Erteilung des Zuschlags aufs Spiel zu setzen, könne sich nicht auf enttäuschtes Vertrauen berufen (BGH VII ZR 144/12).

Ein Auftragnehmer darf ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen, sondern muss Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebotes aufklären, wenn dies mit zumutbaren Aufwand möglich ist (BGH VII ZR 107/86).

So kann ein Auftragnehmer das Risiko übernehmen, das sich durch ein Angebot auf eine unklare oder unvollständige Leistungsbeschreibung ergibt. Stellt sich nach der gebotenen Vertragsauslegung heraus, dass er nach dem Vertrag eine Leistung schuldet, die er infolge der Unklarheit oder Unvollständigkeit der Leistungsbeschreibung nicht einkalkuliert hat, kann er von den Gerichten keine Korrektur seiner für ihn nachteiligen Vertragsentscheidung verlangen. Solche Fälle können insbesondere dann vorliegen, wenn für die Kalkulation notwendige Angaben fehlen. (BGH VII ZR 194/06).

Der BGH hat dazu auch darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebots klären muss. Ähnlich ist es, wenn sich für ihn aus dem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen Unterlagen die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will. Auch dann muss er versuchen, insoweit aufkommende Zweifel vor Abgabe des Angebots (vorvertragliche Obliegenheit) auszuräumen, wenn sich das mit zumutbarem Aufwand machen lässt (BGH VII ZR 194/06).

Ein einfaches Praxisbeispiel soll dies verdeutlichen:
 
Ein Rohbauer soll monolithische Stahlbetondecken in einem Bürogebäude herstellen. Im Leistungsverzeichnis sind Positionen für Stahlbeton und Stahlbewehrung vorhanden. Was nicht gesondert aufgeführt wurde ist die Schalung für die Stahlbetondecken.
Der Rohbauer macht nach Auftragserteilung einen Baunachtrag für die Schalung geltend. Als Anspruchsgrundlage wird § 2 Abs. 6 VOB/B wegen zusätzlicher Leistung benannt.
Der ausschreibende Architekt bestätigt den Baunachtrag, weil es technisch notwendig ist, für die Herstellung der Stahlbetondecken eine Schalung samt Abstützungen zu verwenden. Anspruchsgrundlage § 2 Abs. 6 VOB/B
       
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
 
1) Was ist der versprochene Werkerfolg des Rohbauers?
Antwort: Fertige Stahlbetondecke, welche Ihre zugewiesene statische Funktion erfüllen muss

2) Ist eine Schalung einschl. Abstützungen als Position im LV ausgeschrieben?
Antwort: Nein, eine eigenständige Position im LV ist nicht vorhanden.

3) War es für den Rohbauer erkennbar, dass die Schalung nicht in einer Position im LV ausgeschrieben aber für die Kalkulation der fertigen Stahlbetondecke notwendig war?
Antwort: Ja, für jede Fachfirma ist offenkundig, dass Beton bei Anlieferung auf der Baustelle ein flüssiger Baustoff ist und nur in einer Schalung entsprechend seiner gewünschten Form aushärtet. Eine Schalung ist unabdingbar soweit keine Fertigteildecken verwendet werden.

4) Hat der Rohbauer bei Angebotsabgabe auf diesen für die Kalkulation wichtigen Sachverhalt hingewiesen?
Antwort: nein

5) Hat der Auftraggeber durch eine Anordnung den geschuldeten Werkerfolg (Stahlbetondecken) i.S.v. § 1 Abs. 3+4 VOB/B geändert?
Antwort: Nein

6) Hat der bauleitende Architekt durch eine Anordnung den Bauentwurf oder den Werkerfolg geändert?
Antwort: Nein, selbst wenn es eine Anordnung gegeben hätte wäre dies unerheblich. Der bauleitende Architekt handelt als vollmachtsloser Vertreter.

7) Wäre die Anspruchsgrundlage von § 2 Abs. 6 VOB/B überhaupt einschlägig?
Antwort: Nein, denn § 2 Abs. 6 VOB/B ist keine Anspruchsgrundlage sondern ein Vergütungstatbestand. Ein Rechtsanspruch würde sich nur aus § 1 Abs. 3+4 VOB/B ergeben.
   
Fazit:
 
Eine ausdrückliche Angabe der Schalung für die Stahlbetondecken ist nicht zwingend notwendig. Sie kann unterbleiben, wenn sich aus den gesamten Vertragsumständen klar ergibt, dass eine Schalung notwendig für den Werkerfolg ist (i.d.S. vgl. BGH VII ZR 376/00). Dieser Einschätzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zu folgen, denn es ist offenkundig, dass man für eine monolithische Stahlbetondecke eine Schalung benötigt.
Der Hinweis auf die VOB/A ist entbehrlich, denn dies ist eine Verwaltungsvorschrift woraus sich kein Zahlungsanspruch herleiten lässt.
Gefährlich ist der ausschließliche "technische Tunnelblick" von Architekten/Ingenieure bei der Nachtragsprüfung.
 
Wegen fehlender rechtlicher Anspruchsgrundlage wäre somit der o.g. Baunachtrag abzulehnen. Die Nachtragspreisermittlung wäre somit überflüssig und entbehrlich.
 
Gegnerische Anwälte kommen dann in diesem Augenblick mit dem Anspruch aus „Wegfall der Geschäftsgrundlage“. Dazu haben die Gerichte schon mehrfach entschieden, dass dieses Rechtsinstitut in diesem Fall nicht einschlägig ist.
 
Wie das Beispiel zeigt, ist die Prüfung der rechtlichen Anspruchsgrundlage entscheidend für die Anerkennung eines Baunachtrages. Entsprechend der Anspruchsgrundlage richtet sich die Vergütung.
Jede Baunachtragsforderung ist eine Prüfung der Bedingungen des Einzelfalles nach § 133, § 157 BGB.



In unseren Inhouse-Schulungen gehen wir vertieft mit Beispielen auf die Thematik näher ein.

Gerne sind wir auch für Sie als externe Nachtragsmanager tätig und erstellen ein entsprechendes Angebot.


(Anmerkungen: Die Ausführungen sind die persönlichen Ansichten des Verfassers und stellen keine bautechnische oder rechtliche Beratung im Einzelfall dar)



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