Zusammenhang Nachtragspreisermittlung nach VOB

Uwe Besecke
Dipl. Bauingenieur + Wirtschaftsjurist LL.M
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Berater * Coach
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Zusammenhang Nachtragspreisermittlung nach VOB

Projektmanagement, Nachtragsmanagement
Veröffentlicht von Besecke in Baunachtrag · Dienstag 09 Jun 2020
Tags: NachtragspreisVOB/BGrundlagenRechtsanspruch
Nachtragspreisermittlung - #FragdenNachtragsmanager
 
Nach Ansicht eines Verwaltungsbeamten ist die prüffähige Nachtragspreisermittlung entsprechend § 2 Abs. 5 VOB/B nicht möglich. Man muss einfach den Nachtragspreis der Baufirma so wie er ist hinnehmen. Wenn man den Nachtragspreis auf Basis der Urkalkulation prüfen möchte, dann muss man die Urkalkulation öffnen und braucht das Einverständnis der Baufirma. Die Baufirmen geben aber nicht das Einverständnis. Also mache ich alles richtig, meint der Verwaltungsbeamte nach einer Prüfungsfeststellung infolge Kostenexplosion bei einer öffentlichen Baumaßnahme.

Stellt sich die Frage, ob diese Ansicht im Rechtssinn richtig oder nur Ausdruck einer „Gleichgültigkeit“ ist.

Was sagt § 2 Abs. 5 VOB/B überhaupt aus?
 
„Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung  geändert,  so  ist  ein  neuer  Preis  unter  Berücksichtigung  der  Mehr-  oder Minderkosten  zu  vereinbaren.“
 
Was sagt der Bundesgerichtshof zu dieser Problematik?
 
„Die Ermittlung der Vergütung für eine geänderte Leistung erfolgt in diesem Fall in der Weise, dass - soweit wie möglich - an die Kostenelemente der Auftragskalkulation angeknüpft wird. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die Auftragskalkulation der geänderten Position.“ (BGH VII ZR 142/12)
 
„Dies entspricht dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien von der als Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbarten VOB/B, wie es auch in der herrschenden Meinung in der Literatur …. und in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs …… zum Ausdruck kommt.“

Darlegungs- und beweislastig für die Vorlage eines Nachtragsangebotes mit einem prüffähigen Kalkulationsnachweis für die Leistungsänderung ist der Auftragnehmer. Nach einhelliger Meinung in der Literatur ist ein nicht prüffähiger und nachvollziehbarer Preis des Auftragnehmers keine Grundlage für einen Zahlungsanspruch gegen den Auftraggeber. Weil es s.g. „Zulagen“ oder „Erschwernisse“ im Rechtssinn bei einer geänderten Leistung nicht gibt, sind also Auftragnehmer gut beraten, den neuen Nachtragspreis, soweit ein Rechtsanspruch besteht, auf Grundlage der eigenen Urkalkulation beim Auftraggeber einzureichen.
 
Dazu einige Beispiele aus der Rechtsprechung.
 
„Daraus folgt, dass ein auf § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B gestützter Mehrvergütungsanspruch ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Urkalkulation bzw. einer plausiblen Nachkalkulation unschlüssig und die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen ist. Für einen Rückgriff auf den ortsüblichen Preis in Anlehnung an § 632 Abs. 2 BGB ist im Rahmen von § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B kein Raum.“ (OLG Düsseldorf 22 U 37/14).

„Die Vergütung muss aus der Urkalkulation hergeleitet sein, also danach berechnet werden, wie der Auftragnehmer die Kosten kalkuliert hätte, wenn er bereits bei seinem Angebot die Verwendung von Nagelankern berücksichtigt hätte. Kostenansätze für Lohn-, Stoff- und Gerätekosten sind ebenso wie Leistungsansätze oder Aufwandswerte der Urkalkulation  zu entnehmen. Berücksichtigt wird nur die Änderung von Kostenelementen, die durch die geänderte Leistung verursacht ist.“ (KG Berlin 21 U 31/14)

„Nach § 2 Abs. 5 VOB/B bleibt zwar das bisherige Preisgefüge bestehen, soweit es durch die Leistungsänderungen nicht berührt wird. Der Auftragnehmer kann mithin den neuen Preis nur auf der Grundlage kalkulieren, welcher der bisherigen Kalkulation entspricht, insbesondere kann die aus § 2 Abs. 5 VOB/B folgende Mehrleistung nicht zu einer Gewinnerhöhung beim Auftragnehmer führen. Es kann aber ausreichen, dass der Auftragnehmer sämtliche Preise für die neu zu erbringende Leistung offenlegt und klarstellt, welche Leistungen zu welchen Preisen entfallen. Damit hat sie den Anforderungen, die an die Darlegung von Mehr- und Minderleistungen zu stellen sind, grundsätzlich entsprochen, jedenfalls dass, wenn sie zudem ihre Kalkulation zum Hauptauftrag vorgelegt hat.“ (KG Berlin 7 U 141/14)

oder auch
 
OLG Stuttgart 10 U 51/15
 
"Die Ermittlung der Vergütung für eine geänderte Leistung erfolgt auf der von den Parteien vorausgesetzten Grundlage einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung in der Weise, dass - soweit wie möglich - an die Kostenelemente der Auftragskalkulation angeknüpft wird (BGH Urteil vom 14.03.2013 - VII ZR 142/12, Juris Rn. 16). Die Darlegungs- und Beweislast trägt dabei derjenige, der die Änderung für sich beansprucht; er hat die Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B darzulegen und im Streitfall zu beweisen (Kniffka, a.a.O., 5. Teil Rn. 129). Macht der Auftragnehmer eine geänderte Vergütung geltend, so muss er im Streitfall die Urkalkulation offenlegen (Kniffka a.a.O.; OLG Düsseldorf Urteil vom 25.10.2013 - 22 U 21/13, Juris Rn. 109)."
 
OLG München 28 U 413/19 Bau
 
"Der Gesetzgeber hat sich in den vorgenannten Bestimmungen nun dafür entschie-den, dass die Interessen des Unternehmers schützenswert sind und ihm die verein-barte Vergütung zusteht, allerdings nur in eingeschränktem Umfang. Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Entscheidungen die Anforderungen an die vom Unternehmer zu erstellende Abrechnung konkretisiert und fordert unter Offenlegung der Urkalkulation die Aufschlüsselung von ersparten Lohnkosten und Materialaufwendungen."
 
OLG München 13 U 2533/14 Bau
 
"Insbesondere fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen Nachkalkulation für geltend gemachte Mehrvergütungsansprüche bei Nachträgen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B. Auch aus diesem Grund ist die Klage unschlüssig (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014 - 22 U 37/14, IBRRS 2015, 0203)."
 
Die wenigen Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen schon sehr deutlich, wie ein prüffähiger Nachtragspreis vom Auftragnehmer zu ermitteln ist und der Unternehmer dem Auftraggeber prüffähig vorlegen muss. Macht er das nicht, kann in der Höhe kein ausreichender Zahlungsanspruch geltend gemacht werden. Letztendlich muss dann das Gericht über den Nachtragspreis entscheiden, wenn der Unternehmer sich einem prüffähigen Nachtragspreis verweigert.

Eine andere weitere Frage ist, ob der Besteller in einem öffentlichen Vergabeverfahren die geforderte Kalkulation öffnen darf oder er die Zustimmung zur Öffnung beim Anbieter einholen muss.

Macht der öffentliche Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung zur Angebotseinholung oder bei einer Nachforderung kund, dass die Urkalkulation bereits vor der Zuschlagserteilung vorzulegen ist, bringt die Vergabestelle ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme zum Ausdruck.
 
Abgesehen davon macht alleine schon die Anforderung der Urkalkulation durch einen öffentlichen Auftraggeber diese Unterlage wertungserheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob der Nachweis etwa auch aus Sicht eines Bieters relevant ist oder nicht (BGH X ZR 19/02).
 
Der öffentliche Auftraggeber darf auch bereits im Vergabeverfahren im Rahmen der Angebotsprüfung die Urkalkulation zur Überprüfung bestimmter Preise heranziehen. Der Auftraggeber ist berechtigt, den Umschlag zu öffnen und die Kalkulation einzusehen (vgl. OLG Düsseldorf VII-Verg 12/10).
Damit dürfte auch die Fragestellung durch die Rechtsprechung eindeutig beantwortet sein.
 
Fazit

Die Ansicht des Verwaltungsbeamten, welcher unmittelbar in der Baumaßnahme eingebunden ist, kann als falsch bezeichnet werden. Ausschlaggebend ist aber immer die Bedingungen im konkreten Einzelfall und ob der politische Wille zur Objektivität überhaupt vorhanden ist.
 
In der oben genannten Fragestellung kann man von „Gleichgültigkeit“ des Einzelnen sprechen, was unterschiedliche Züge haben kann. Gedanken wie „Zahlung bringt Frieden“, „haben wir schon immer so gemacht“, „ist nicht mein Geld“, „wir müssen fertig werden“ und „Geld ist doch ausreichend da“ sind weit verbreitet unter den Sachbearbeitern in der öffentlichen Verwaltung und sind nur ein Spiegel für das Versagen der Führungskraft.
 
Solche Kommentare von Sachbearbeitern, welche unmittelbar als Feststellungsbefugte mit Auftragsbefugnis handeln, können aber auch noch andere Problemfelder aufdecken, wenn mit Firmen und externen Architekten/Ingenieure über eine lange Zeit gemeinsam gearbeitet wird und ein freundschaftliches „Du“-Verhältnis vorhanden ist.
 
Zur Vorbeugung und Prävention empfehlen wir den Aufbau eines objektiven Nachtragsmanagements, wo die oben geschilderten Interessenlagen nicht vorhanden sind. Solch ein Nachtragsmanagement dient nicht nur zur Kosteneinsparung sondern ist auch ein Schutz der Mitarbeiter im Rahmen der Vorsorgepflicht eines öffentlichen Auftraggebers.
 
Wie man ein Nachtragsmanagement aufbaut, erfahren Sie hier.
 

(Anm.: Die Ausführungen sind die persönlichen Ansichten des Entwurfsverfassers und stellen keine Beratung in bautechnischer und rechtlicher Hinsicht dar)


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